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Kultur: Wechselbad der Gefühle

Elena Bashkirova im Kammermusiksaal.

Der Klavierabend, ein gnadenloses Genre. Diesmal erwischt es die russische Pianistin Elena Bashkirova, die für die erkrankte Mitsuko Uchida eingesprungen ist und im schütter besetzten philharmonischen Kammermusiksaal Robert Schumanns „Papillons“ vorspielt, dann seine „Humoreske“, darauf Galina Ustwolskaja „Sonate in zehn Teilen“ von 1986, die ihren Zentralton des mit starken Repetitionen ins Ohr der Zuhörerschaft bläut, und schließlich Tschaikowskys „Jahreszeiten“, die vielleicht eher „Zwölf Monate“ heißen sollten, denn nicht aus vier, sondern aus einem ganzen Dutzend kleiner Charakterstücke bestehen sie. Übrigens ein Zyklus, den kein Erwachsener gezwungen sein sollte, im Konzertsaal vorzutragen, so gefühlig (statt gefühlvoll) tönen diese musikalischen Monate, so ermüdend ist das immergleiche formale Schema, das ihnen zugrundeliegt. Jedenfalls spielt Bashkirova tatsächlich mit viel Gefühl. Und mit weicher Hand, mit viel Pedal. Bei Tschaikowsky mag das noch angehen, diese Komposition straft niemanden ab, der sich nicht in sie hineinkniet und übt, bis er tot umfällt. Bei den „Papillons“ sieht es schon anders aus, erst recht bei der „Humoreske“.

Am Ende ist es nämlich doch mehr als das berühmte romantische Wechselbad der Gefühle, in das Schumanns Klaviermusik stürzt: interpretatorisch zählen Witz, Esprit, Rätsel, Andeutung, technisch will ein unvergleichlicher Fitzelkram aus Timbre, Pedalisierung und Stimmverläufen gemeistert sein. Etwa in der letzten „Papillons“-Nummer, in der so vieles miteinander verknüpft wird: eine romantisierende, fantastisch hallende „Es klappert die Mühle am rauschenden Bach“-Adaption mit der leggierissimo-Tonleiter der Introduktion, ein Orgelpunkt mit einer Pedalisierung ganz nach Schumanns Vorschrift, ein letztes ahndungsvolles Spiel mit dem Verschwinden von Klang. Das alles in wenigen Augenblicken – kein Wunder, dass das Prinzip des Spiels hier wichtiger ist als ein reines Vorspielen, dass man sich von der Person am Klavier theoretisch eine ganze Weltanschauung erhoffen darf. Praktisch fällt an diesem Abend anderes ins Gewicht: Natürlichkeit, Schönheit, Beweglichkeit, Begeisterung des Publikums, und in dieser Hinsicht ist im Kammermusiksaal dann doch noch alles, alles gut geworden. Christiane Tewinkel

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