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Kultur: Wehrmachtsausstellung: Der Sache nach richtig

Termin und Ort stehen noch nicht fest. Sicher ist aber: Die Ausstellung über die Verbrechen der Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg wird nach einem langen "Moratorium" im kommenden Jahr wieder zu sehen sein.

Termin und Ort stehen noch nicht fest. Sicher ist aber: Die Ausstellung über die Verbrechen der Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg wird nach einem langen "Moratorium" im kommenden Jahr wieder zu sehen sein. Allerdings nicht in der alten, zum Teil heftig kritisierten Fassung. Gestern kündigte Jan Philipp Reemtsma an, dass die Ausstellung völlig überarbeitet und neu konzipiert werde. Der Leiter des Hamburger Instituts für Sozialforschung folgt damit der Empfehlung einer von ihm eingesetzten Wissenschaftlerkommission.

Die acht renommierten Forscher hatten vor knapp zehn Tagen in ihrem umfangreichen Gutachten die Grundaussagen der Schau über den von der Wehrmacht im Osten geführten Vernichtungskrieg als "der Sache nach richtig" beurteilt. Dabei habe es sich nicht um vereinzelte Übergriffe oder Exzesse an Juden, sowjetischen Kriegsgefangenen und an der Zivilbevölkerung gehandelt, sondern um Handlungen, die auf Entscheidungen der obersten militärischen Führung und der Truppenführer an der Front und hinter der Front beruhten.

Dennoch wurde bemängelt, dass es viele sachliche Fehler, Flüchtigkeiten sowie "durch die Art der Präsentation allzu pauschale und suggestive Aussagen" gab. Diese Kritik bezog sich vor allem auf das präsentierte Fotomaterial und die Bilderklärungen. Auf entsprechende Hinweise hätten die damaligen Ausstellungsmacher um Hannes Heer überheblich und unprofessionell reagiert. All dies habe zu einem "Glaubwürdigkeitsproblem" der Ausstellung in der Öffentlichkeit geführt. Auch deshalb sollte eine künftige Konzeption das Material zwar präsentieren, aber die Schlussfolgerung den Besuchern überlassen.

Diesen Vorschlägen will Reemtsma mit einer grundlegenden Neufassung der - vergrößerten - Ausstellung Rechnung tragen. Generell wird man sich davon verabschieden, anhand von drei Fallbeispielen die von deutschen Soldaten begangenen Verbrechen zu dokumentieren. Künftig soll es um die Dimension der unterschiedlichen Verbrechen gehen. Sechs Themen sind dafür vorgesehen: Hungerpolitik, Deportationen, Völkermord, Partisanenkrieg, Kriegsgefangene, Repressionen. Und im Mittelpunkt wird das Kriegs- und Völkerrecht stehen. Auch der kontroversen Diskussion über die Rolle der Wehrmacht im Osten richtet man einen eigenen Bereich ein: "Nachkriegsdebatten". Die überarbeitete Ausstellung endet mit dem Raum "Handlungsspielräume". Dort soll die große Spannbreite des individuellen Verhaltens deutlich werden - vom Widerstand gegen mörderische Befehle bis zum willigen Vollstrecken. Zudem bekommt das Foto als Quelle einen eigenen Bereich. Auf unkommentierte oder zusammengefügte Bildsequenzen will das Institut verzichten. Gerade diese Art der Verwendung war heftig kritisiert worden.

Reemtsma hat aber nicht nur ein neues Konzept entwickeln lassen, sondern auch eine neue, fünfzehnköpfige Ausstellungsmannschaft zusammengestellt, die fast ausschließlich aus Historikern besteht. Das älteste Mitglied ist Jahrgang 1953, das jüngste Jahrgang 1971. Als Sprecher werden die Geschichtswissenschaftler Christoph Bitterberg und Ulrike Jureit fungieren.

Ob damit die teilweise polemischen Attacken und regelrechten Demonstrationen gegen die Ausstellung und ihre Macher ein Ende haben werden, ist allerdings fraglich. Der polnische Historiker Bogdan Musial - einer der schärfsten Kritiker, auf dessen Einwände hin falsch zugeschiebene Bildlegenden korrigiert und Fotos aussortiert werden mussten - hat in der "Welt" der von Reemtsma berufenen Expertenkommission Befangenheit unterstellt. Sie sei nur Partei in einem "Glaubenskrieg". Den Forschern ginge es offenkundig allein darum, den entstandenen Schaden zu begrenzen und das Gesicht der Aussteller zu wahren.

Die Diskussion über die "saubere Wehrmacht" wird im kommenden Jahr also weiter gehen. Da hilft wohl auch das besonnene Wort des SPD-Politikers Hans-Jochen Vogel nicht weiter. Der hat sich in Hamburg für eine Ausstellung in neuem Gewande ausgesprochen: Es sei notwendig, die Ereignisse vor dem Vergessen zu bewahren. Junge Leute müssten sehen, "wohin es führt, wenn die Menschenrechte mit Füßen getreten werden". Von 1995 bis zum Moratorium Ende 1999 haben die alte Wehrmachtsausstellung in 50 Städten fast 900 000 Besucher gesehen. Es gab erregte Gemüter bei Befürwortern und Gegnern. Die Auseinandersetzung mit diesem dunklen Kapitel deutscher Geschichte kann nicht ohne Reibung sein.

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