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Kultur: Wehrmachtsausstellung: Viele Feinde, viele Freunde, eine Denkpause Vier Jahre auf Reisen

Die umstrittene Wehrmachtsausstellung des Hamburger Instituts für Sozialforschung wurde von 1995 bis zum Ausstellungsstopp vor einem Jahr in 27 deutschen und sechs österreichischen Städten gezeigt. Noch einmal 65 Städte - darunter New York - hatten Interesse angemeldet.

Die umstrittene Wehrmachtsausstellung des Hamburger Instituts für Sozialforschung wurde von 1995 bis zum Ausstellungsstopp vor einem Jahr in 27 deutschen und sechs österreichischen Städten gezeigt. Noch einmal 65 Städte - darunter New York - hatten Interesse angemeldet. Nachdem das Institut den Stopp verfügt hatte, konnte in New York, der geplanten ersten Station außerhalb Europas, im Dezember 1999 nur noch das begleitende Symposion stattfinden, zu dem drei New Yorker Universitäten und das Goethe-Institut eingeladen hatten.

Bisher haben mehr als 820000 Menschen die Schau mit dem Titel "Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht von 1941 bis 1944" gesehen. Zum ersten Mal wurde mit einer Foto-Ausstellung die Beteiligung der deutschen Wehrmacht an der Ermordung von Millionen Menschen aus rassistischen oder politischen Gründen während des Zweiten Weltkriegs in Osteuropa gezeigt. Sie wurde ebenso sehr angefeindet, wie sie prominente Unterstützer hatte: In Karlsruhe sprach die Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts, Jutta Limbach, die Eröffnungsworte, in Kassel der Schriftsteller und Auschwitz-Überlebende Imre Kertesz, in Wien Johannes Mario Simmel, in Klagenfurt der damalige österreichische Innenminister Caspar Einem.

Und sie wurde, ungewöhnlich für ein solches Projekt, sogar gleich mehrfach, Gegenstand parlamentarischer Debatten: Die Landtage von Bayern, Hessen, Niedersachsen, Schleswig-Holstein, des Saarlands und die Hamburger und Bremer Bürgerschaft diskutierten, zweimal auch der Bundestag. In Hamburg würdigten die Abgeordnten in einer gemeinsamen Erklärung den "wichtigen Beitrag" der Ausstellung bei der Aufklärung über die Rolle der Wehrmacht in der NS-Vernichtungspolitik.

Gleichzeitig begleiteten Kritik und Proteste rechtsradikaler Gruppen die Schau. In München, Kiel, Kassel und Dresden gab es ihretwegen teils gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen linken und rechten Demonstranten. In Bonn musste die Polizei gegen NPD-Demonstranten vorgehen. In Saarbrücken wurde im März 1999 sogar ein Sprengstoffanschlag auf die Volkshochschule verübt, in der die Ausstellung gezeigt wurde. Zuvor hatte dort die CDU eine Anzeige geschaltet, in der den Ausstellungsmachern vorgeworfen wurde, sie diffamierten "unsere Väter" als "Verbrecher und Mörder". Eine heftige Debatte um die Ausstellung hatte im Frühjahr 1997 Münchens damaliger CSU-Chef Peter Gauweiler losgetreten, als er Jan-Philipp Reemtsma, dem Gründer des Hamburger Instituts und Erben des Tabakkonzerns Reemtsma, empfahl, er solle doch lieber eine Ausstellung über die Opfer der Zigarettenindustrie finanzieren.

Die Kritik an der Ausstellung bei konservativen Historikern und Teilen der CDU/CSU bekam durch eine Veröffentlichung des polnischen Historikers Bogdan Musial neue Nahrung (siehe unten). In den "Vierteljahresheften für Zeitgeschichte" - der wissenschaftlichen Zeitschrift des Münchner Instituts für Zeitgeschichte - wies er auf falsche Bildunterschriften hin und vertrat die Ansicht, dass einige der in der Schau gezeigten 1433 Fotos nicht deutsche, sondern sowjetische Kriegsverbrechen zeigten. Reemtsma, der Chef des Hamburger Instituts für Sozialforschung, stoppte Anfang November vergangenen Jahres die Ausstellung und berief ein unabhängiges Experten-Gremium, das sie prüfen sollte. Hannes Heer, der Ausstellungsleiter, musste gehen. In der nächsten Woche wollen die Hamburger ein neues Konzept vorstellen.

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