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Kultur: Weib & Witz

Am 6. Mai feiert alle Welt den 150. Geburtstag von Sigmund Freud. Bis dahin lesen wir täglich vom Pionier der Psychoanalyse

Der tendenziöse Witz braucht im allgemeinen drei Personen. Außer der, die den Witz macht eine zweite, die zum Objekt der feindseligen oder sexuellen Aggression genommen wird, und eine dritte, an der sich die Absicht des Witzes, Lust zu erzeugen, erfüllt. (...) Der libidinöse Impuls des Ersten entfaltet, sowie er die Befriedigung durch das Weib gehemmt findet, eine gegen diese zweite Person feindselige Tendenz und ruft die ursprünglich störende dritte Person zum Bundesgenossen auf. Durch die zotige Rede des Ersten wird das Weib vor diesem Dritten entblößt, der nun als Zuhörer – durch die mühelose Befriedigung seiner eigenen Libido – bestochen wird. Es ist merkwürdig, dass solcher Zotenverkehr beim gemeinen Volke so überaus beliebt und nie eine fehlende Betätigung heiterer Stimmung ist. Beachtenswert ist aber auch, dass bei diesem komplizierten Vorgang, der so viele Charaktere des tendenziösen Witzes an sich trägt, an die Zote selbst keiner der formellen Ansprüche, welche den Witz kennzeichnen, gestellt wird.

Aus: Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten, 1905. Studienausgabe in 10 Bänden, Band IV, hg. von Thure von Uexküll und Ilse Grubrich-Simitis, S. Fischer Verlag, 1989

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