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Schwerarbeiter. Tom (Andreas Schmidt) mit Helen (Marie Schoenburg). Foto: Davids

© DAVIDS

Kultur: Weichei liebt Wuchtbrumme

„Fettes Schwein“ in der Komödie am Ku’damm.

Dass es hier ohne Hemmung zur Sache geht – verbal zumindest –, verrät schon der Titel: „Fettes Schwein“. So nennt die Buchhalterin Jeannie die neue Freundin ihres Verflossenen Tom, als sie ein Bild von der molligen Helen zu Gesicht bekommt, das wiederum Toms Arbeitskollege Carter zur Belustigung in einer Rundmail durch die Firma geschickt hat. Tom rastet natürlich aus, als Carter ihm das Foto aus der Hand reißt, aber Konsequenzen, zum Beispiel die so genannte Freundschaft zu beenden, zieht er keine.

Genau das ist sein Problem. Tom ist ein Weichei. Er liebt die korpulente Helen, schämt sich ihrer aber, weil er nicht über die Meinung der anderen hinwegsehen kann. Schwacher Jüngling, hin- und hergerissen zwischen Neigung und dem Druck sozialer Kontrolle, eigentlich eine altbekannte Geschichte von Figuren im Alter zwischen 16 und 20 Jahren.

Der amerikanische Autor Neil LaBute hat das Ganze etwas aufgebockt und verlagert die Handlung in ein spiegelndes Hochhausbüro. Dass sich nun also Erwachsene so albern und unverblümt gehässig aufführen sollen, ist zwar nicht ganz glaubwürdig, zielt aber gleichzeitig irgendwie ins Allgemeinkritische.

Diätwahn und Castingshowhorror: Der gnadenlose Turbokapitalismus ist natürlich Schuld daran, dass auch die Partnerwahl der Logik der Statusvermehrung, also zur Förderung der Karriere, unterworfen wird. Unter dem Deckmäntelchen gesellschaftlicher Relevanz versteckt sich allerdings eine schematische Dramaturgie und klobiges Figurenholz, das LaBute mit zwei, drei wuchtigen Axthieben zurechtgeschlagen hat. Tom, der Wankelmütige. Jeannie, die spindeldürre Hysterikerin. Carter, der mephistophelische Strippenzieher mit simplem Muttertrauma. Und Helen, die frohgemute, schlagfertige Wuchtbrumme. Was die Sache in der Komödie am Kurfürstendamm zumindest in der ersten Dreiviertelstunde vorantreibt, sind LaButes drastischer Wortwitz und der Schauspielermut zu halsbrecherischer Übertreibung. Der läuft allerdings bald leer.

Immerhin, unter der Regie von Folke Braband fehlen die boulevardtypischen Türen. Dafür lässt Braband das Geschehen vor zwei Videowänden stattfinden, die mal das Innere eines Deli oder die Schwüle eines Schlafzimmers, meist aber die bläuliche Skyline einer Bürostadt zeigen. Vor dieser sterilen Unwirklichkeit explodiert der als Fernsehkommissar bekannte Oliver Mommsen in der Rolle des hinterfotzig jovialen Carter förmlich, als wollte er lustvoll (und erleichtert) zeigen, dass er noch anderes kann als wortkarge Tatort-Lakonie.

Nicola Ransom stöckelt eine herrlich um sich keifende Zicke auf den Teppichboden, und Marie Schöneburg gelingt es als übergewichtige Helen stellenweise auf bewegende Weise, die Verletzlichkeit ihrer Figur hinter der charmanten Angriffslust durchscheinen zu lassen. Einzig Andreas Schmidt, aus dem Film „Sommer vorm Balkon“ als unwiderstehlicher Berliner Eckensteher bekannt, wirkt als Bürohengst Tom in Anzug und Krawatte vor allem verkleidet. Die Geschichte geht, ein weiterer Vorzug dieses durchwachsenen Abends, übrigens anders aus als erwartet. Böser. Andreas Schäfer

Weitere Aufführungen: täglich bis zum 1. April.

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