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Weine: Bordeaux oder Burgunder

Die Wahl des Weines ist keine Status-, sondern eine Stilfrage. Michael Zajonz geht ihr auf den Grund.

Keine Angst, hier geht es nicht um das übliche Degustationsgeschwätz. Um kryptisch verschlüsselte Botschaften, die sich Rotwein kauende und gurgelnde Männer mit Kennermiene zuraunen: „engmaschige Tannine, ein Hauch von Leder und Waldboden, am Gaumen noch verschlossen.“ Nun ja. Auch über das zweite Lieblingsthema dieser Experten, die Preisentwicklung kostbarer Tropfen, reden wir hier nicht.

Bordeaux oder Burgunder – das ist keine Status-, sondern eine Stilfrage. Ernest Hemingways Enkeltochter hat man, sicher sehr im Sinne ihres Großvaters, Margaux genannt: weil sie nach dem Genuss von – mindestens! – einer Bouteille des gleichnamigen Prestige-Bordeaux’ gezeugt worden sein soll. Georg Baselitz, der Maler-Berserker, musste sicher nicht lange überredet werden, ehe er das Etikett des Chateau Mouton-Rothschild 1989 gestaltet hat. Sein redlicher Lohn: ein paar Kistchen Edelstoff, die inzwischen vermutlich den Marktwert eines Mittelklassewagens erreicht haben. Wenn er sie nicht längst getrunken hat.

E. T. A. Hoffmann hingegen, der unheimliche Romantiker, trank mit seinem Schauspieler-Spezi Ludwig Devrient bei Lutter & Wegner am Gendarmenmarkt nicht nur Sekt (den man damals noch ungeniert Champagner nennen durfte), sondern ungezählte Flaschen Burgunder. Auch wenn es mancher Germanist anders sieht: Er wusste, was er tat.

Man darf hinter vinologischen Vorlieben ein höheres Prinzip von Persönlichkeit vermuten. Eine Art Analogie zwischen dem Geist des Trinkers und seinem bevorzugten Weingeist. Zartgestrickter Burgunder – das ist Harfe statt Pauke, Watteau statt Warhol. Ein ordentlicher Bordeaux: Man redet Hauptsätze.

Im Wein soll Wahrheit liegen? Ach was, es ist reine Weltanschauung.

Zum Wohl!

Zuletzt erschien in unserer Sommerserie „Zu mir oder zu dir“.

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