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Kultur: Weißer Nebel über dem Vatikan

Kuriose Aufregung um Morettis Papstfilm

Vor sechs Jahren wurde Joseph Ratzinger zum Papst gewählt. Weil das Datum wunderschön zusammenpasst mit dem österlich gesteigerten Publikumsinteresse an religiösen Themen, hat Nanni Moretti seinen neuen Film „Habemus Papam“ nun mit satten 500 Kopien  in Italiens Kinos gebracht. Doch das Werk, demnächst auch im Wettbewerb von Cannes, dürfte das bravste sein, das der politische Filmemacher Moretti je gedreht hat. Sein letztes Werk, die Berlusconi-Satire „Der Kaiman“, war 2005 pünktlich zu den Parlamentswahlen herausgekommen.

Der Stoff gäbe viel her für großes Kino: In der Sixtinischen Kapelle sitzen die Kardinäle beisammen, um einen neuen Papst zu wählen. Keiner will’s werden, und der Anfang des Films, die Verbildlichung der inneren Dramen, die sich in jedem einzelnen abspielen, ist auch schon der packendste Moment in den 104 Minuten.

Am Ende soll Kardinal Melville – exzellent gespielt vom 85-jährigen Michel Piccoli – den Papst geben, erleidet ob der Schwere dieser Aufgabe aber einen Nervenzusammenbruch just in dem Augenblick, als er sich der jubelnden Menge auf dem Petersplatz vorstellen soll. Der eilends herbeigerufene Spitzenpsychoanalytiker (Moretti) kommt nicht an den Papst heran. Der bricht aus dem Vatikan aus, streift als gütig-verwirrter Alter in Zivil durch Rom, während die Kardinäle die Wartezeit mit einem Volleyballturnier überbrücken.

Nanni Moretti nennt den Film eine Komödie; die Auslotung der Seelenkämpfe in einem überforderten, zerbrechlichen Menschen hätten auch eine Tragödie ergeben. Doch der Regisseur kratzt in beiden Genres nur an der Oberfläche, und der Vatikan kann dankbar sein, dass ihm diesmal nicht nur jegliche Attacke, sondern auch Ironie oder Satire erspart bleiben. Hätte da nicht ein altgedienter römischer Vatikanjournalist einen Leserbrief an „L’Avvenire“, die Tageszeitung der italienischen Bischofskonferenz, geschrieben, indem er vom Besuch des Films abrät („Den Papst rührt man nicht an!“), dann wäre Morettis Film in der Kritik als „unter ferner liefen“ abgehakt worden.

So konnten einige Agenturen die Schlagzeile drechseln: „Kirche rät zu MorettiBoykott“. Das entbehrt zwar jeder Grundlage, aber werbewirksam ist der Slogan allemal. Für alle, die ein österliche Beruhigung begrüßen: Radio Vatikan lobt Morettis Werk als „sehr menschlich“, und „L’Avvenire“ zeigt sich in der Filmkritik an dem „gut gemachten“ Werk allein davon irritiert, dass „Gott fehlt“. Nun ja, dafür inszeniert sich Moretti. Paul Kreiner

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