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Wieder flott. Seit Herbst herrschte Stillstand auf der Dauerbaustelle des Baus von Herzog & de Meuron, jetzt kann’s weitergehen. Foto: dpa

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Weiterbau eines Prestige-Objekts: Friede, Freude, Elbphilharmonie

Neun Monate standen die Kräne still, jetzt geht es erstmal wieder voran. Hamburg einigt sich mit dem Bau-Riesen Hochtief. Aber wird es 2015 auch schon den Konzertsaal geben?

Sie gilt als architektonisches Wunderwerk und ist eine der größten Baustellen Deutschlands. Die auf einem Kaispeichersockel in der Hafencity futuristisch emporragende Elbphilharmonie sollte eigentlich vor zwei Jahren feierlich eröffnet werden. Doch damals reichte es gerade mal für das Richtfest. Die neueste Zeitleiste sieht nun eine Fertigstellung Mitte 2015 vor. Spötter der unendlichen Geschichte würden darauf aber wohl keine Wette abschließen. Die Berliner haben ihren neuen Flughafen, ihre Staatsoper und das Stadtschloss, Hamburg hat die Elbphilharmonie.

Der Dauerstreit zwischen der Stadt und dem Essener Baukonzern Hochtief um den Weiterbau des Kulturtempels ist laut einer am Donnerstag veröffentlichten gemeinsamen Erklärung aber erst einmal beigelegt. Zuletzt ruhten die Arbeiten auf der Baustelle fast neun Monate lang, weil die Stadt als Auftraggeber und die ausführende Firma Hochtief über die Statik des Konzertsaals und die Dachkonstruktion überkreuz lagen. Politische Beobachter vermuteten zuletzt aber auch knallharte finanzielle Interessen hinter dem Verhalten des Konzerns.

Die altehrwürdige hanseatische Kaufmannschaft interessiert sich traditionell mehr für die monetäre Seite als für die Muse. Doch noch vor der weltweiten Finanzkrise wurde parteiübergreifend beschlossen, dass Hamburg künftig in der kulturellen Weltliga mitmischen will und nicht länger nur als Deutschlands Musical-Stadt Nummer eins gelten will. So sollte neben dem historischen Michel mit der Elbphilharmonie ein neues touristisches, architektonisch und kulturell wertvolles Wahrzeichen geschaffen werden. Zugleich setzte man sich ehrgeizig zum Ziel, einen der weltweit zehn besten Konzertsäle zu errichten.

Doch der ersehnte Vorzeigepalast aus viel Glas, Holz und Beton wurde schnell zum Zankapfel zwischen der Stadt, den Schweizer Stararchitekten Herzog & de Meuron sowie Hochtief. Während der Bau im Schneckentempo vorankam, explodierten die Kosten. Zum Baubeginn vor fünf Jahren war der Musiktempel am Wasser noch mit 77 Millionen Euro veranschlagt. Inzwischen liegt der finanzielle Anteil allein des Steuerzahlers viermal so hoch – bei mindestens 323 Millionen. Da ist es nur logisch, dass im Mai 2010 ein Untersuchungsausschuss eingesetzt wurde – den man nach der vorgezogenen Bürgerschaftsneuwahl 2011 gleich noch einmal zusammenrief. Bis heute ist das parlamentarische Gremium, das in erster Linie Verantwortlichkeiten und Vertragsinhalte zu klären versucht, nicht zu einer abschließenden Bewertung gekommen. Immerhin wurde schnell deutlich, dass das Vertragskonstrukt seinerzeit mehr als amateurhaft aufgesetzt wurde. Klare Weisungsbefugnisse und Hierarchien fehlten, so dass Architektenbüro, Baukonzern und Stadt einander behinderten und blockierten, statt das Projekt voranzutreiben. Ein „Geburtsfehler“, wie es Hamburgs parteilose Kultursenatorin Barbara Kisseler am Donnerstag nannte.

Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) schaltete sich zuletzt selbst in den Konflikt ein, den die Beteiligten zwischenzeitlich auch vor Gericht austrugen. Scholz setzte Hochtief – nach einem ersten Ultimatum, das am 31. Mai ergebnislos verstrichen war – eine letzte Frist, den Bau fortzusetzen. Andernfalls drohte er damit, alle Verträge zu kündigen. Unmittelbar vor dem Ende dieses zweiten Ultimatums einigten sich beide Seiten nun, und Hochtief versicherte, sich ab sofort wieder der Überdachung zu widmen. Zusammen mit der Fassade soll das Saaldach nun in einem Jahr fertig werden. „Ein gutes Ergebnis für Hamburg“, konstatierte Kisseler.

Nun darf man auf das vereinbarte Schiedsverfahren gespannt sein. Dabei soll geprüft werden, ob Hochtief zu Recht noch einmal 100 Millionen Euro an zusätzlichen Baukosten geltend machen darf. Für die FDP sind damit die Weichen für weitere Kostensteigerungen gestellt; die Linksfraktion spricht von einer „Einigung ohne Preisschild“. Sie moniert, dass dem Projekt weiterhin jegliche Kostentransparenz fehlt. Die Grünen finden das auch und sind nicht bereit, die „Katze im Sack“ zu kaufen, weil in der gemeinsamen Erklärung von Stadt und Hochtief keinerlei Kostenangaben zu finden sind. Dem kulturpolitischen Sprecher der CDU-Bürgerschaftsfraktion, Dietrich Wersich, klingt die einvernehmliche Verlautbarung ebenfalls zu sehr nach „Friede, Freude, Eierkuchen“. Es stelle sich weiterhin die zentrale, ja ebenfalls kostenrelevante Frage, ob die existierenden Baupläne ein für alle Mal verlässlich sind.

Der nun ins Auge gefasste Übergabetermin der Elbphilharmonie in drei Jahren bedeutet aber noch lange nicht, dass der Neubau dann in seiner eigentlichen Funktion als Konzerthaus eröffnet werden kann. Die gesamte Akustik muss zuvor nämlich akribisch getestet werden. Fürs Erste wird es wohl nur Besucherführungen geben. Auf der Aussichtsplattform hoch über dem Konzertsaal entschädigt ein atemberaubendes Panorama für all die Querelen. Der Fahrstuhl ins 24. Stockwerk funktioniert bereits jetzt.

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