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Kultur: Wenn das Finanzamt zweimal klingelt Bühnenkünstler streiten gegen die Umsatzsteuer

Deutschlands Bühnen- und Kostümbildner/innen proben derzeit den Aufstand. Noch ist das hinter den Kulissen.

Deutschlands Bühnen- und Kostümbildner/innen proben derzeit den Aufstand. Noch ist das hinter den Kulissen. Dabei geht es um einen schon länger anhaltenden Steuer-Streit, der Regisseure, Choreographen und jetzt auch die so bezeichneten „Ausstatter“ der öffentlich subventionierten Opern und Schauspielhäuser betrifft. Sogar eine von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble und Kulturstaatsminister Bernd Neumann zu Gunsten der Theaterkünstler angestoßene Gesetzesnovelle für 2013 droht dadurch in Mitleidenschaft zu geraten.

Rund 300 freie Bühnen- und Kostümbildner wehren sich gegen eine Flut unlängst ergangener Bescheide ihrer Finanzämter. Darin wird ihnen für ihre Gagen an den städtischen und staatlichen Bühnen neben der Einkommenssteuer zusätzlich 19 Prozent Umsatzsteuer (alias Mehrwertsteuer) auferlegt. Und dies teilweise rückwirkend für sechs Jahre, was rechtlich zweifelhaft erscheint und für etliche Betroffene Nachzahlungen im fünfstelligen Bereich bedeuten würde. Bisher wurden die Künstler – wie die Theaterhäuser und Opern als Institutionen oder wie freie Autoren und bildende Künstler – von der Umsatzsteuer befreit oder nur zum ermäßigten „Kunst“-Steuersatz von 7 Prozent veranlagt.

Diese Usance hat der Bundesfinanzhof allerdings in einem umstrittenen Urteil in Frage gestellt. Der Berliner Theater- und Opernregisseur Frank-Patrick Steckel hatte gegen einen Steuerbescheid für das Jahr 2004 geklagt, in dem eine Opernregiegage erstmals mit dem vollen Umsatzsteuersatz belegt wurde. Steckel war zunächst erfolgreich – bis der Bundesfinanzhof in letzter Instanz und mit widersprüchlicher Begründung die Leistung des angeblich „unsichtbaren“ Regisseurs plötzlich von der Mitwirkung des bei der Aufführung leibhaftig anwesenden (und steuerlich weiterhin privilegierten) Dirigenten unterschied (vgl. Tsp. vom 26. März 2012).

Kulturstaatsminister Neumann intervenierte daraufhin beim Bundesfinanzminister, der seinerseits davon absah, das bereits im Mai 2011 ergangene Steckel-Urteil des Bundesfinanzhofs im Bundesgesetzblatt zu veröffentlichen. Mit diesem sachten Trick sollte verhindert werden, dass die höchstrichterliche Entscheidung eine Bindungswirkung gegenüber allen Finanzbehörden erfährt. Bislang werden auf Werkvertragsbasis tätige Künstler der öffentlichen Theater von Finanzamt zu Finanzamt teils ohne Umsatzsteuer oder aber mit ermäßigtem Steuersatz veranlagt. Um nun größere Rechtssicherheit zu erreichen, hat die Bundesregierung im Entwurf des Jahressteuergesetzes 2013, den Paragraphen 4 des Umsatzsteuergesetzes mit einem Satz ergänzt. Demnach sind künftig auch „Bühnenregisseure und Bühnenchoreographen“, denen die Kulturbehörden die entsprechende künstlerische Mitwirkung an Produktionen der öffentlich geförderten Theater bescheinigen, von der Umsatzsteuer befreit.

Unklar ist jedoch, was mit den bis zum 1. 1. 2013 noch anhängigen Fällen passiert. Und die im Gesetzentwurf nicht berücksichtigten Bühnen- und Kostümbildner fühlen sich diskriminiert, weil auch sie zu den Inszenierungen wesentlich beitragen. Erstaunlich wirkt zudem, dass mehrere hundert Ausstatter just jetzt die neuen und teilweise rückwirkenden Steuerbescheide erhalten haben. Wie dieses abgestimmte Verhalten trotz der Nichtveröffentlichung des Steckel-Urteils und der organisatorischen Unabhängigkeit der Finanzbehörden in den verschiedenen Ländern und Kommunen möglich ist, wäre allein schon ein Fall für Verschwörungstheoretiker. Jedenfalls wird Kulturstaatsminister Neumann nun mit Protesten und Petitionen überzogen. Auch der Deutsche Bühnenverein hat sich an Neumann gewandt. Ausgleichende höhere Gagenforderungen der Ausstatter würden die Etats der Opern und Theater in Zeiten der Finanznot weiter belasten. Peter von Becker

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