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Kultur: Wer im Reishaus sitzt

Zwischen Blütenstaubhügeln: Wolfgang Laib in der Galerie Buchmann

Ist das ein Haus oder ein Sarkophag? Ein kleiner Hügel oder doch nur gelb schimmernder Staub, der sich in einer Nische zum Kegel türmt? Fünf längliche Marmorskulpturen ruhen auf dem grauen Boden der Galerie Buchmann, darum liegt Reis wie eine profane Gloriole. Komplett wird das stille Ensemble von Wolfgang Laib dank einer wenige Zentimeter hohen Plastik aus Blütenstaub, der wie loses Pigment wirkt und den der Künstler doch in geduldiger Arbeit aus diversen Pflanzen wie Löwenzahn oder Haselnuss gewinnt.

Mit der Wahl solcher Zutaten ändern sich die Farbe und der Geruch einer Arbeit. Feinste Differenzen dieser Art sind charakteristisch für Laibs Werk, das ansonsten durch Konstanz besticht und durch eine latente Opposition zu jeder grellbunten Malerei oder Installation, die im Kunstbetrieb für Unterhaltung sorgt.

Laib ist ein strenger Ästhet, das sieht man seiner Arbeit an. Streng, weil er sich ganz auf die inhärenten Qualitäten seinen Materialien konzentriert und als Bildhauer alles Notwendige tut, um ihnen Raum zur Entfaltung zu geben. Seine herbsüß duftenden Wachsräume, die Reishäuser, Milchsteine und wie monochrome Bilder von innen leuchtenden Teppiche aus Blütenstaub waren in den vergangenen Jahrzehnten überall auf der Welt zu sehen. Zuletzt in einer groß angelegten Retrospektive in den USA, die anschließend ins Haus der Kunst in München wanderte.

Dass der 1950 in Metzingen geborene Laib international geschätzt wird und dennoch hierzulande weit weniger bekannt ist als ein Joseph Beuys oder Gerhard Richter, mag an der weltumspannenden Ausrichtung seiner Kunst liegen. Er hat Medizin und Indologie studiert, abwechselnd in New York und Deutschland gelebt und verbringt nach wie vor einen Teil seiner Zeit in Indien. Die ganze Erfahrung dieses nomadischen Lebens manifestiert sich in den Formen und Materialien, mit denen der Künstler konsequent in wiederkehrenden Zyklen arbeitet: Sie wirken archaisch, universal und meditativ, fast bis zum Verschwinden zurückgenommen und dennoch ungeheuer präsent.

So genügen auch bei Buchmann fünf Bodenskulpturen (Preis auf Anfrage), um den hohen Raum zu füllen. Gezeigt wird mit den polierten und an manchen Stellen grob behauenen Steinen jedoch kein Querschnitt, wie man es für Laibs erste Galerie-Ausstellung in Berlin erwarten könnte. Stattdessen beschränkt sie sich mit Respekt vor seiner Arbeit auf eine Auswahl von leicht variierenden Reishäusern, in denen von einer mittelalterlichen Architekturtypologie bis zur letzten Ruhestätte alles angelegt scheint, was dem Menschen noch über das Leben hinaus als Behausung dient.

Solche Kunst, die ihre reichen Assoziationen nur dem mitteilt, der ihr die Zeit dafür lässt, braucht einen adäquaten Resonanzboden, den Laib für gewöhnlich in Museen oder Kirchenräumen findet. In der Galerie Buchmann ist ihm nun ein ähnlicher Raumeindruck geglückt.

Galerie Buchmann, Charlottenstraße 13, bis 6. Januar; Dienstag bis Sonnabend 11 – 18 Uhr.

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