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Kultur: Wer sind die Anzug-Männer mit Koffer? - Im Berliner Haus der Kulturen der Welt

Wer sind die Anzug-Männer mit Koffer? Wer ist der Fußballstar?

Wer sind die Anzug-Männer mit Koffer? Wer ist der Fußballstar? "Die Wahrheit der Bilder" heißt der Vortrag zur Afrika-Reihe im Berliner Haus der Kulturen der Welt; Heike Behrend entführt das Auditorium in einen Erdteil der Verwandlungsexperimente und Wunschmaschinen. Die Kölner Ethnologin hat in Kenia und Uganda Studiofotografen bei der Arbeit begleitet, oft mit deren Kunden gesprochen. Fotografie im Alltag Afrikas beschreibt sie als Medium der illusionären Selbstinszenierung, als entkörperlichtes Pendant zu den Identitäts-Ritualen ekstatischer Geistbesessenheit. Vor den Attrappen unerreichbarer Lebenssehnsüchte posieren die Portraitierten - nicht zuletzt, um über solch ein Foto den eigenen begehrenswerten Status zu dokumentieren. Die dafür verwendete Collage-Technik, sagt die Forscherin, wurzelt in afrikanischen Montage-Traditionen, wie sie schon an dem berühmten kongolesischen "Nabelfetisch" von 1882 zu erkennen waren, der das importierte Missionars-Bild des Cruzifixus überformte. Die schönen Lügen der Fotozauberer von heute indes verarbeiten Ikonen der westlichen Medien- und Warenwelt: Da werden Studio-Klienten zu mitjettenden Freunden des ugandischen Präsidenten; da realisiert Fotograf Ronnie Okocha Kauma den eigenen Berufstraum, die Fußball-Karriere (Fotos: Katalog HKW). Heike Behrend berichtet auch vom "Kleiderkult" junger Männer, die in Paris Designer-Fummel kaufen, deren teure Labels auf dem heimischen Laufsteg zeigen, ablichten lassen und sie - der Beweis liegt ja nun vor - verkaufen, wieder nach Paris fahren, usw... Doch das Berliner Publikum sperrt sich, diese Darstellungen als Information über das Andere zu akzeptieren. Was CNN uns im Golfkrieg vormachte, war genauso eine Täuschung, verteidigt ein zorniger Mann die "naiven" Afrikaner. Eine Kalifornierin bezweifelt, dass Afrikaner solche Montagen für bare Münze nehmen; wenn sie als Hollywood-Besucherin neben einer Clinton-Figur abgelichtet werde, wisse jeder, dass sie mitnichten die neue Lewinsky sei! Ein Westafrikaner bekräftigt: "Man weiß, der Traum ist nicht realisierbar, es ist nur ein Spaß. Nur Europäer wollen die Sachen immer ganz konkret interpretieren." Aber: wieviel Ernst steckt im Spaß? Und: Wer steckt hinter dem medialen Bild Helmut Kohls? Oder: Wer ist eigentlich Jörg Haider? Wahrheit - eine Montage.

tl

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