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Kultur: Werden Renten künftig besteuert?: Zeit für neue Zahlen

Man sollte genau zuhören. Wenn das höchste deutsche Gericht an diesem Mittwoch sein Rentenurteil fällt, hat jedes Wort Bedeutung.

Man sollte genau zuhören. Wenn das höchste deutsche Gericht an diesem Mittwoch sein Rentenurteil fällt, hat jedes Wort Bedeutung. Dass eine Weiche in der staatlichen Altersversorgung neu gestellt wird, gilt zumindest als möglich. Es kommt nun besonders darauf an, wie. Karlsruhe könnte sich mit Milimeterschritten nämlich nicht zufrieden geben.

Die Lage ist kompliziert. Selten hat Recht so viel mit Rechnen zu tun wie hier. Früher war das einfacher. Renten und Versorgungsbezüge wurden in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts gleich versteuert. Mitte der fünfziger Jahre wurde aus rechtlichen Gründen differenziert. Renten, hieß es, seien schließlich nur eine Rückzahlung eigener Leistungen, Pensionen jedoch eine Leistung des Staates an seine Beamten.

Zahlenkünstler streiten über Details

Dieser Gedanke prägt die Steuergesetze bis heute. Verfassungsrechtlich sei das nicht zu beanstanden, entschied das Karlsruher Gericht 1980. Aber damit war nicht gemeint, dass alles seine Ordnung hatte. Die Richter gaben dem Gesetzgeber auf, bestehende Ungleichheiten zu beseitigen. Die steuerliche Begünstigung der Rentner habe im Laufe der Zeit ein Ausmaß erreicht, das korrigiert werden müsse.

Über Details streiten Zahlenkünstler. Doch der Tenor des Urteils am Mittwoch könnte ähnlich lauten. Die Berichterstatterin des Gerichts in dem Verfahren, die Steuerexpertin Lerke Osterloh, hatte bei der mündlichen Verhandlung im Oktober durchblicken lassen, alle grundsätzlichen Fragen seien entschieden. "Keineswegs selbstverständlich" sei, dass sich das Gericht nun erneut damit befasse. 1992 hatten die Richter zudem ihre Haltung bestätigt. Ohne Daten zu nennen, räumten sie dem Gesetzgeber eine erhebliche Zeitspanne für nötige Änderungen ein. Nur wie lange noch?

Das könnten die Richter jetzt genauer beantworten wollen. Möglicherweise nicht zur Freude der amtierenden Bundesregierung. Denn falls die Justiz jetzt Versäumnisse der Vergangenheit kritisiert, ist Rot-Grün zwar weitgehend schuldlos daran, aber doch voll in der Haftung.

Sache der Politik, nicht der Justiz

1992 hatte das Verfassungsgericht Be- und Entlastung von Rentnern und Pensionären gegengerechnet. Ergebnis: Die Sache ist zwar schwer durchschaubar, aber nicht so ungerecht, dass man sofort einschreiten müsste. Vom erneuten Durchrechnen wird jetzt einiges abhängen. So fühlt sich der Kläger im aktuellen Verfahren auch deshalb benachteiligt, weil aktive Beamte mittlerweile ebenfalls Beiträge für ihr Ruhestandsgeld zahlen müssten. Der Wirtschaftswissenschaftler Bert Rürup hatte als Sachverständiger im Oktober empfohlen, Ungleichheiten nicht mehr länger über Pauschalen oder Freibeträge zu egalisieren, sondern Rentner lieber gleich wie Pensionäre zu behandeln.

Ein solcher Systemwechsel ist eigentlich Sache der Politik, nicht der Justiz. Man darf deshalb gespannt sein, wie reserviert sich das Karlsruher Gericht gibt - oder wie gestaltungsfreudig. Lerke Osterloh wird im zuständigen Zweiten Senat eine gewisse Zurückhaltung nachgesagt.

Anders ist das bei ihrem Kollegen, dem neuen Verfassungsrichter Rudolf Mellinghoff. Als früherer Richter am Münchner Bundesfinanzhof ist er ebenfalls ein ausgewiesener Steuerrechtler. Mellinghoff hat seinen Groll gegen das "Chaos im Steuerrecht" vom Ex-Verfassungsrichter Paul Kirchhof geerbt. Bei ihm war er lange als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig. Kirchhof hielt das Parlament in Steuersachen für so unfähig, dass er einen eigenen Entwurf für eine Reform vorgelegt hat - allerdings zu einem Zeitpunkt, als er Karlsruhe schon verlassen hatte.

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