zum Hauptinhalt
Michael Shannon und Veronica Ferres

© Camino Filmverleih

Werner Herzogs "Salt and Fire": Und in den Anden bebt die Erde

In Werner Herzogs Umwelt-Drama „Salt and Fire“ passiert viel, doch erzählerisch stimmt nichts. Eine bemühte Veronica Ferres in der Hauptrolle macht die Sache nicht besser.

Von Gregor Dotzauer

Was in „Salt and Fire“ nicht alles vorkommt. Eine Salzwüste am Rande Boliviens. Ein tief in den Eingeweiden der Erde rumpelnder Vulkan namens Uturuncu, der im Fall eines Ausbruchs dazu fähig sein soll, das gesamte Ökosystem kollabieren zu lassen. Und die Gebrüder Huascar und Atahualpa, späte Abkömmlinge des untergegangenen Inka-Reichs: unschuldige Kinder, die von der heraufziehenden Umweltkatastrophe buchstäblich nichts sehen, weil sie von ihr bereits mit Blindheit gezeichnet sind.

Wenn man einen Film von Werner Herzog aus lauter vertrauten Motiven zusammensetzen wollte, hätte man damit schon ein Gutteil versammelt. Die Blindheit aus „Land des Schweigens und der Dunkelheit“. Die Diablo-blanco-Salzwüste als menschenfeindliches Pendant zum Urwald in „Fitzcarraldo“ oder zur Antarktis in „Begegnungen am Ende der Welt“. Und die zerstörerischen Vulkane aus „La Soufrière“ oder „Into the Inferno“.

Dazu kommen Matt Riley, ein anfangs mysteriöser Seher (Michael Shannon), der nicht zuletzt mit Nostradamus-Zitaten seine Schuld daran abträgt, als ehemaliger Wirtschaftsboss für die Entstehung des Diablo blanco mitverantwortlich zu sein. Sowie eine junge, in UN-Diensten stehende Naturwissenschaftlerin, Professor Laura Sommerfeld (Veronica Ferres), der für die drohende Apokalypse erst noch die Augen geöffnet werden müssen.

Die Dialoge kommen keine Sekunde lang vom Papier

Dies geschieht in Form einer Robinsonade, zu der Riley sie in die Weiten des weißen Teufelssee verschleppen lässt, mit kaum mehr als einem Zeltdach, etwas Dosenfutter, ein paar Kanistern Wasser im Gepäck – und den beiden blinden Kindern als Adjutanten. Man nennt so etwas Schwarze Pädagogik. Wie herrlich sie aufgeht, samt Unterwerfung unter den vorherigen Zuchtmeister am (zumindest menschlich) glücklichen Ende, ist das eine. Das andere ist, dass an diesem so dürftigen wie dickflüssigen Herzog-Aufguss erzählerisch nichts stimmt.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Die englischen Dialoge kommen keine Sekunde lang vom Papier, und im Mund von Veronica Ferres klingen sie doppelt bemüht. Das Tablet, mit dem sie Video-Tagebuch führt, kommt ohne Aufladen aus. Ihre Ko-Wissenschafter (Gael García Bernal und Volker Michalowski) werden als Figuren erst umständlich eingeführt, dann dramaturgisch entsorgt. Vor allem aber führt der finstere paramilitärische Aufwand, mit dem Sommerwalds Truppe grundlos zur Zwangsbekehrung entführt wird, den Zuschauer so sehr an der Nase herum wie die Protagonistin. Wenn schon sie sich nicht betrogen vorkommt – er muss es.

Das skandalöse Ungeschick von „Salt and Fire“ offenbart schon das Drehbuch. Die sogenannten spektakulären Naturaufnahmen, mit denen Peter Zeitlingers Kamera aufwartet, stellen ihre kraftmeiernde Biederkeit nur um so pompöser aus. Bis vor kurzem hatte es wenig Sinn, Herzogs Werk nach fiktionalen und nichtfiktionalen Arbeiten zu unterteilen. Doch seit seiner letztjährigen Orient-Expedition „Königin der Wüste“ hat der Dokumentarist den Spielfilmregisseur wohl endgültig überlebt.

b-ware!, Babylon Mitte, Union

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false