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Partnerseelenallein. Boris (James Hyndman) und seine depressive Ehefrau Béatrice (Dounia Sichov).

© Julie Landreville

Wettbewerb der Berlinale 2016: "Boris sans Béatrice" ist ein Totalschaden

Denis Côtés „Boris sans Béatrice“ läuft im Wettbewerb der Berlinale. Unsere Autorin hat den in Québec angesiedelten Film endgültig verloren gegeben.

Dieses Stück Kino gehört unzweifelhaft zum Genre der Was-hat-der-Regisseur-sich-eigentlich-dabei-gedacht-Filme. Tragen wir die Indizien zusammen: Da steht ein großer schlanker Mann leicht fortgeschrittenen Alters mit Mich-wirft-nichts-um- Blick vor einem landenden Helikopter. Keinen Schritt weicht er zurück im Sturm der Rotorblätter. So einer ist Boris Malinovsky (James Hyndman).

Schön, wie der Hubschrauber-Tsunami die üppigen Gräser in Seegang versetzt. Aber er, das wird sofort klar, ist keiner Welle fähig. Sodann betritt Boris Malinovsky eine Reinigung, um seine Hemden abzuholen, und doch, ja, diese Szene ist gut. Die junge Servicekraft bemüht sich in beflissener Unbefangenheit, auch aus diesem Kunden einen zufriedenen Kunden zu machen, weshalb sie ihn hartnäckig mit dem Rundumservice ihrer Einrichtung bekannt zu machen gedenkt. Schlusssatz: Und verraten Sie mir noch Ihre Postleitzahl? – Sie bleibt zurück mit einem Ausdruck ultimativer Fassungslosigkeit.

Nur halbe Blicke, Worte schon gar nicht

Keine Welle. Keine Herzwelle. Boris Malinovsky ist eine Art Wiedergänger des Ebenezer Scrooge aus Charles Dickens „Weihnachtsgeschichte“. Darauf deutet auch die Fabrik, mit der er seinen Reichtum und seine mentale Grundausstattung erworben hat, düstere, lärmende Werkhallen. 19. Jahrhundert? Nur dass Scrooge nicht verheiratet war. Malinovsky ist es.

Seine Frau hat sich auf dem gemeinsamen Landhaus in eine tiefe Depression zurückgezogen. Sie sendet kaum mehr Zeichen in die Außenwelt, nur halbe Blicke, Worte schon gar nicht. So bleibt auch Boris Malinovsky, keiner Hirnwelle fähig, meist stumm, wenn er bei ihr ist. Wenn!

Und dann geschieht es. Ein anonymer Anrufer fordert ihn auf, sich gegen Mitternacht im Wald einzufinden und keine Angst zu haben. Hat Boris nicht. Nicht mal, als in der nächtlichen Waldverlorenheit Scheinwerfer aufflammen, und der Keine-Welle-Mann plötzlich im gleißenden Licht steht. Er ist eher ungehalten wie beim Hemdenservice. Noch ist Fremddurchleuchtung, was Selbstdurchleuchtung werden soll?

Ich weiß, wer schuld ist an der Krankheit deiner Frau!, erklärt ihm ein aus dem Licht tretender etwas gnomenhafter Quasigeist im Glitzeranzug. Es ist der Augenblick, da man diesen in Québec angesiedelten Film endgültig verloren gibt.

Cineastisches Missgeschick

Ebenezer Scrooge erschien Heiligabend dreimal der Geist der Weihnacht, und wie einleuchtend war das! Der Totalschaden „Boris sans Béatrice“ lässt sich hingegen nur so erklären: Denis Côté wollte Charles Dickens’ Weihnachtsgeschichte als Psychothriller neu interpretieren, aber auch von einem Thriller hat dieses cineastische Missgeschick nun wirklich nichts. Und soll man es noch erwähnen: Boris Malinovsky bessert sich tatsächlich.

Es ist eine Prüfung der optischen Leidensfähigkeit, dem zuzuschauen, nichts könnte einen gleichgültiger lassen. James Hyndman als Boris mit Herzwelle, das geht nicht.

Vor drei Jahren war der 1973 in Kanada geborene Denis Côté mit „Vic + Flo haben einen Bären gesehen“ im Wettbewerb der Berlinale, die Geschichte von zwei im Wald lebenden strafentlassenen Frauen war durchaus originell gedacht und erzählt. Vergessen wir „Boris sans Béatrice“.

13.2., 15 Uhr (Friedrichstadt-Palast) und 19 Uhr (HdBF); 15.2., 12.30 Uhr (HdBF) und 21.30 Uhr (Acud); 21.2., 17 Uhr (Friedrichstadt-Palast)

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