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Pfeiffer

© Berlinale

Wettbewerb: Die Glamour-Prinzessin

Michelle Pfeiffer war Adlige, Hexe, Hausfrau, Catwoman – jetzt spielt sie in Stephen Frears „Chéri" im Berlinale-Wettbewerb.

Sie widerstand den raffinierten Verführungsstrategien des Vicomte de Valmont, jedenfalls beinahe. Sie räkelte sich, nun selbst Verführerin, lasziv auf dem Flügel der Baker Boys. Als Catwoman allerdings war sie so straff in einen Bodysuit eingenäht, dass sie sich nicht mehr räkeln konnte. Sie hatte – zum Teil gefährliche – Liebschaften mit Gangstern, Spionen und dem Teufel; sie war Hausfrau, Lehrerin, Anwältin, Hexe und immer wieder Geliebte, sie spielte italienische, französische, russische, schwedische Frauen, amerikanische sowieso; und sie steckte in Kostümen aus vier Jahrhunderten.

Michelle Pfeiffer, deren Stern Ende der 1980er Jahre aufging und zehn Jahre lang wie kaum ein anderer strahlte, war eine Prinzessin des Glamours: als sinnliche Schöne mit Porzellanhaut, feinen Zügen, vollen Lippen, hohen Wangenknochen, weit auseinanderstehenden großen, hellen Augen, schlank allerdings bis an die Grenze zur Magersucht, unnahbar, teils wegen der apathischen Unterkühltheit, teils wegen der geheimnisvollen Entrücktheit ihrer Figuren.

Erst mit knapp 30 eroberte die Ende der 1950er Jahre (genau weiß man’s nicht, und wer will’s auch wissen?) geborene Michelle Pfeiffer Europa; in den USA war die gebürtige Kalifornierin da schon länger durch Fernsehserien und Spielfilme bekannt. Als Madame de Tourvel, die tugendhafte „Präsidentin“ in Stephen Frears’ genialem Gesellschaftsdrama „Gefährliche Liebschaften“ (1988), stahl Pfeiffer jedoch sowohl ihrer älteren, erfahreneren Kollegin Glenn Close als auch dem diabolisch agierenden John Malkovich die Schau und rührte Millionen von Zuschauern auf der ganzen Welt zu Tränen. Pfeiffer war so verletzlich, zart und unschuldig in dieser Rolle der standhaften und schließlich dann doch für den beträchtlichen Charme des Vicomte zu schwachen Frau, die bald nach der Eroberung schnöde verlassen wird, dass man am liebsten mit ihr ins Kloster gegangen wäre, um ihr Herzeleid zu lindern. Die Verfilmung eines Romans aus dem Milieu des gelangweilten Adels im 18. Jahrhundert war ein Welterfolg, und Pfeiffer wurde als Entdeckung des Jahrzehnts gefeiert.

Aufgefallen war sie auch schon 1987 in der Updike-Verfilmung „The Witches of Eastwick“, als sie neben Cher und Susan Sarandon eine gelangweilte Hausfrau und dilettierende Cellistin verkörperte, die sich mit dem Teufel einlässt. Jack Nicholson war es, der den drei Kunstgewerblerinnen das provinzielle Leben aufmischte, indem er sie an ihre eigenen Grenzen führte. Sie praktizierten mit ihm, gemäß den Maximen der Dekade, sehr viel abgedrehten Sex, aber als seine drei Hexen nicht mehr so spurten wie er wollte, konfrontierte er sie mit ihren eigenen Ängsten, zum Beispiel vor dem Alter. Er hielt ihnen einen Zauberspiegel vor, indem er sie als runzlige Greisinnen erscheinen ließ. Im Hollywood-Kino gab es schon immer solche Momente der Wahrheit über die Branche.

Und nun? In der Colette-Adaption „Chéri“ ist Pfeiffer wieder eine Liebhaberin; als große Kurtisane führt sie einen 20 Jahre jüngeren Mann in die erotischen Künste, die Welt des Luxus und des Savoir vivre ein. Und dass sie ihm nebenbei auch zu einiger Herzensbildung verhilft, gereicht ihr zur Ehre, gerade weil sie dabei womöglich auf der Strecke bleibt.

Man darf, besonders auf dieser Berlinale, darüber spekulieren, warum Liebesbeziehungen zwischen jüngeren Männern und älteren Frauen – in der Realität schon immer, auf der Leinwand dagegen kaum praktiziert – plötzlich ein Thema fürs Mainstream-Kino geworden sind, ohne dass es dabei eindeutige Gewinner und Verlierer gibt. Pfeiffer musste einige schlechte Filme und fünf Jahre völliger Leinwandabstinenz hinter sich bringen, bis sie 2007 in ihrer ersten altersgemäßen Rolle aus der Versenkung auftauchte.

Dann allerdings mit Furore: Als Velma Van Tussle, die Chefin eines Fernsehsenders im Musical „Hairspray“, war sie eine Eiskönigin, gekleidet in schillernde Etuikleider, mit glitzernden Spangen im weißblonden Haar. Mit allen ihr zu Gebote stehenden Machenschaften versucht sie, ihre eigene Tochter zum Star einer neuen Show zu machen. Ihre Berechnung und Eleganz schlagen jedoch in Hysterie und Vulgarität um, als sie die Kontrolle verliert. Durchtrainiert bis zur Sehnigkeit, dürr und athletisch, absolvierte sie Tanz- und – erstaunlicherweise – auch Gesangsnummern mit Grazie und Stimmvolumen. Und man wusste: Pfeiffer ist zurück, in besserer Form als jemals.

Das mögen die vielen Catwoman-Fans männlichen Geschlechts bezweifeln, die ihre Geschmeidigkeit in „Batman Returns“ (1992) bewunderten und nicht genug kriegen konnten vom Anblick der Pfeifferschen Körperkonturen, die der Vakuum-Anzug nachzeichnete. Man mag nicht darüber nachdenken, mit welcher Art von Diät sie ihren Körper dem Kostüm anpassen musste.

Die wirkte noch nach, als sie 1993 in Martin Scorseses „The Age of Innocence“ auftrat: Diesmal war sie eine Remigrantin, die nach einer gescheiterten Ehe mit einem osteuropäischen Grafen und Jahren des Luxuslebens in den Zentren des europäischen Gesellschaftslebens ins New York des ausgehenden 19. Jahrhunderts zurückkehrt, materiell gut versorgt, aber gelangweilt von den strengen Ritualen des amerikanischen Geldadels. Mit ihren Ideen über die Freiheit des Individuums stößt sie an Grenzen, und die Männer sind nicht nur von ihrer Schönheit, sondern auch von ihrer Intelligenz fasziniert. Sie ist, körperlich fragil, Verführerin und Verführte zugleich, immer jedoch unnahbar in ihrer intellektuellen Stärke, mit der sie allen Männern überlegen ist.

Michelle Pfeiffer ist vielleicht die einzige Schauspielerin, die den Glamour des großen Hollywood-Kinos vom 20. ins 21. Jahrhundert hinübergerettet hat, und man kann nur hoffen, dass ihr das noch lange gelingt. Mit ihrem Film „Chéri“ scheint sie auf dem richtigen Weg.

10. 2., 19.30 Uhr (Berlinale Palast), 11. 2., 12 Uhr (Friedrichstadtpalast), 17.30 Uhr (Urania), 23 Uhr (Friedrichstadtpalast)

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