zum Hauptinhalt
Rage

© Berlinale

WETTBEWERB: Trommelfeuer der Eitelkeiten

Die Britin Sally Potter macht sich in "Rage" über die Modebranche lustig. Experimentell - aber auch ermüdend.

Pink, Safrangelb, Blutrot, Türkis, Lavendel – die Blue Screen ist nicht nur blau in diesem neuen Film der britischen Regisseurin Sally Potter. Es ist ein bunter, amüsanter, dezent globalisierungskritischer Film über die Modebranche, beschrieben von gut einem Dutzend Figuren, die darin in unterschiedlichen Funktionen zugange sind. Einzeln treten sie vor die Kamera eines fiktiven Erzählers, dem Stellvertreter des Kinopublikums. Sally Potter hat sie vor bunten Hintergründen, entsprechend ihrem Temperament und ihrem Charakter aufgestellt, hat Kleidung und Make-up sorgfältig auf diese Leitfarben abgestimmt und schließlich sogar berücksichtigt, dass Mode und Metropole ohne das kreative Input vieler unterschiedlicher Kulturen nicht wären, was sie sind. So sprechen ihre Protagonisten Englisch mit dem Akzent ihrer Heimatregionen: Der Modeschöpfer Merlin stammt aus dem Nahen Osten, das transsexuelle Model Minx aus dem slawischen Sprachraum, die Näherin und der Leibwächter aus Lateinamerika, der Detektiv aus der Bronx. Die Außenwelt ist nur durch Off-Geräusche präsent; Musik, Polizeisirenen, Demonstranten, Schüsse, Schreie. Während einer Woche kommen zwei Models auf dem Laufsteg zu Tode, was weitreichende Folgen in der Modewelt hat.

Kleidung, Akzent, Hintergrundfarbe, Dialog, Gestik und ganz sparsam eingesetzte Accessoires charakterisieren die Figuren im Gespräch mit dem unsichtbaren Erzähler hinter der subjektiven Kamera – eine Herausforderung, der sich hochkarätige Schauspieler wie Judi Dench, Jude Law, Steve Buscemi oder John Leguizamo stellten. In amerikanischer Einstellung bis zur Hüfte sichtbar, werben sie um Verständnis für die jeweils eigene Sichtweise, legen Beichten vor der Kamera eines – auch das stellt sich im Verlauf des Films heraus – bleichen, übergewichtigen Computer-Kids ab, der seine Protokolle sofort auf seiner Website veröffentlicht. „Du könntest übrigens“, bemerkt Detective Homer, „auch mal was für deine Fitness tun“.

Dass es beim Geschäft mit der Mode nicht hauptsächlich um die Herstellung von Kleidung, sondern um die Erzeugung von Images geht, weiß man, auch dass Designer-Klamotten in Billiglohnländern hergestellt werden – „eine Kleiderfabrik ist kein Sweat Shop, sondern eine Arbeitsplatzbeschaffungsmaßnahme“, giftet die Moderedakteurin. „Ich bin ein Künstler und Zauberer“, findet der Designer, „Schönheit ist Macht“, behauptet das Model, und: „Das Image wird zur Marke“, der Marketing-Mann. Nicht überraschend sind also die Erkenntnisse, die man aus den Aussagen der Protagonisten gewinnt, und vielleicht deshalb verliert der Film nach einiger Zeit seinen Schwung. Die sorgfältig komponierten Bilder, das fehlerlos durchgehaltene Konzept und die bemerkenswerten darstellerischen Leistungen können nicht verhindern, dass man ein wenig ermüdet: Die Dominanz der Form erinnert an die Rigidität mancher Experimentalfilme. Sally Potter scheint zu ihren Anfängen zurückgekehrt zu sein, obwohl sie’s längst besser kann. Im Wettbewerb eines A-Festivals hat dieser Film jedenfalls nichts zu suchen.

9. 2., 18 Uhr (Friedrichstadtpalast), 20 Uhr (Urania), 15. 2., 17.30 Uhr (Berlinale Palast)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false