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Kultur: Wie bleibt es nur am Rhein so schön

Neue Übersicht über die deutschen Unesco-Welterbestätten

Die Sprengung der Buddha-Statuen in Afghanistan oder zuvor die Zerstörung der Brücke von Mostar im Bürgerkrieg haben schmerzlich vor Augen geführt, wie gefährdet selbst die bedeutendsten materiellen Kulturdenkmäler der Menschheit sind.

Wofür solche Zerstörungen – zu denen verheerende Naturgewalten hinzukommen wie jüngst im iranischen Bam – den Blick geschärft haben, ist die generelle Gefährdung der Denkmäler. Die Unesco-Welterbeliste als Verzeichnis der weltweit bedeutendsten Zeugnisse zählt mittlerweile 754 Positionen aus 129 Staaten. Die Welterbekonvention, 1972 verabschiedet und mittlerweile von 172 Staaten unterzeichnet, brauchte ihre Zeit, um Wirkung zu entfalten. An der Zunahme der deutschen Nominierungen lässt sich der Wandel in der Wertschätzung der Unesco-Liste eindrucksvoll verfolgen. Bis zur Wiedervereinigung fanden acht (alt-bundesdeutsche) Anträge Billigung; in zwölf Jahren seither kamen 19 Kultur- und mittlerweile auch Naturdenkmale auf die Liste.

Nun ist vor wenigen Tagen die erweiterte Neuauflage der quasi-offiziellen Publikation „Unser Weltkulturerbe“ erschienen, die die deutschen Nennungen vorführt. Blättert man durch den auf Grund der Listenergänzungen um fast 100 Seiten angeschwollenen Prachtband, wähnt man sich in einem Paradies der Kulturpflege. Im Vergleich zu anderen Ländern trifft das gewiss zu. Die deutschen Denkmalschutzgesetze greifen; zumindest doch soweit, dass Missachtungen ihres Grundgedankens von Schutz und Erhaltung nicht unbeachtet vonstatten gehen. Das öffentliche Bewusstsein ist geschärft. Die derzeit in Köln geführte Diskussion über den Bau von Hochhäusern, die die Höhendominanz des Domes zu verletzen drohen, hat durch die 1996 erfolgte Unesco-Würdigung des Kirchenbaus zusätzliches Gewicht erhalten.

Denn auf der einen Seite steht der Wunsch der Kommunen und Bundesländer, möglichst reichhaltig auf der prestigereichen Liste vertreten zu sein. So haben es die Neuen Bundesländer vermocht, sechs der jüngsten zehn deutschen Nominierungen zu reklamieren. Doch auf der anderen Seite steht die Verpflichtung des betreffenden Staates, „alles in seinen Kräften Stehende“ zu tun, um „Erfassung, Schutz und Erhaltung in Bestand und Wertigkeit“ eines Welterbes sicherzustellen. Welche Zielkonflikte sich ergeben, haben die Auseinandersetzungen um die Bebauung Potsdams – dessen Schlösser und Gärten 1990 das erste Unesco-Denkmal des vereinten Deutschland wurden – oder die Sanierung der Berliner Museumsinsel gezeigt. Vermeintlich sinnvolle Veränderungen eines Denkmals sind oft Gefahren für die Erhaltung dessen, was dieses Denkmal, über sein mediales „Bild“ hinaus, tatsächlich bezeugen soll.

Das wird sich exemplarisch an der zuletzt aufgenommenen „Kulturlandschaft Oberes Mittelrheintal“ verfolgen lassen. Die dortigen Verschandelungen und Bausünden sind Legion. Es spricht für das Buch, dass es in seinem Abschnitt zum Mittelrhein diese Problematik anspricht: Was hat es mit einem solchen komplexen Gebilde aus Natur und Kultur auf sich, das nicht zuletzt von seiner Aura, von der langen Tradition seiner dichterischen Überhöhung zur Rheinromantik lebt? Für die hiesige Denkmalsdiskussion ist es zumindest ein gewaltiger Anstoß, derart viele und verschiedenartige Zeugnisse der Vergangenheit – die mit den gleichfalls gewürdigten Industrieanlagen von Völklingen und Essen zugleich bis an die Gegenwart reicht – auf der Unesco-Liste zu wissen. Ihre Erhaltung ist keine lokale Angelegenheit. Sie ist eine Verpflichtung gegenüber der Weltgemeinschaft.

H. Chr. Hoffmann / D. Keller /Karin Thomas (Hrsg.): Unser Weltkulturerbe. Kunst in Deutschland unter dem Schutz der Unesco. DuMont Verlag, Köln 2003. 492 S., geb. 78 €.

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