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Kultur: Wie die Coolness nach Harlem kam

„Shaft“, „Foxy Brown“ und „Coffy“: das Arsenal präsentiert eine Blaxploitation-Reihe.

Zur Oberschulzeit der Autorin liefen in den Kinos Filme wie „Liebesgrüße aus der Lederhose“ und zweitklassige Italowestern. Cool war das nicht. Doch dann kam aus dem Nichts ein schwarzer Privatdetektiv, der die Kleinstadtjugend auf einen Schlag vereinte und bei vielen wohl zum ersten Mal so etwas wie Stilbewusstsein schuf. Der Soundtrack von Isaac Hayes wurde auf Parties rauf und runter gespielt. „Shaft“ war so cool wie Bogart und Delon zusammen. Und er nahm sich das Recht, auf jede Autorität zu pfeifen. Von ihrer Produktion her kam die schwarze Souveränität auf der Leinwand aus dem in der Bürgerrechtsbewegung neu gewachsenen Selbstbewusstsein – und aus der Krise der amerikanischen Filmindustrie, die neue Märkte suchte. Die wachsende mittelständische Black Community kam als Zielgruppe gerade recht. „Shaft“, von der MGM für eine Million Dollar mit dem schwarzen „Life“-Fotografen Gordon Parks als Regisseur produziert, spielte mehr als das Zehnfache ein.

Der Film war nicht das erste Exemplar eines Subgenres, das bald unter dem Etikett Blaxploitation firmierte. Den Anfang hatte ein Jahr zuvor die Kriminalkomödie „Cotton Comes to Harlem“ (Regie: Ossie Davis nach einem Buch von Chester Himes) gemacht, die zwei schwarze Kommissare auf die Spur eines Sektenführers schickt. Melvin van Peebles’ unabhängig produzierter „Sweet Sweetback’s Baadasssss Song“ zählte 1971 „The Black Community“ sogar im Abspann als Darsteller auf und war mit gewagten Erzählformen der politisch wie ästhetisch radikalste der Filme. Exploitation, also gezielte Ausbeutung von Publikumssehnsüchten, war das sicherlich nicht. Mit seinem Figurenensemble aus „bad nigger“-Held Sweetback, prügelnden Cops und heißen Weibern war die Blaupause für fast alle weiteren Filme gelegt.

Van Peebles, an seinem Film als Autor, Produzent, Hauptdarsteller, Regisseur und Komponist beteiligt, war selber schwarz, was keinesfalls auf alle Personen zutraf, die am neuen Kino für Schwarze verdienten. Gewidmet war „Sweet Sweetback’s Baadasssss Song“ konsequenterweise allen „brothers and sisters who have had enough of the man“. The Man: Das ist in fast allen der 13 Filme aus dem Blaxploitation-Umfeld, die ab Freitag im Berliner Arsenal gezeigt werden, die heimliche Macht im Hintergrund. Eine geheimnisumwitterte weiße Instanz, in der konkrete Personen und abstraktes Herrschaftsprinzip, Drogenmafia und Regierungsmachenschaften verschmelzen.

Auch neben The Man und seinen Helfershelfern ist der Kosmos der Filme so stereotyp ausgestattet wie ein Kasperletheater mit guten kleinen Cops, bösen Pushern und coolen Pimps: Koteletten so spitz wie Samuraischwerter, Haarschöpfe aus Buchsbaum geschnitzt und weiße Maßanzüge oder knallbunte Ganzkörper-Combos und riesige Brillen. Es ist eine Augenweide, eine barock glamouröse und männlich dominierte Welt.

Oder besser: Es wäre eine männlich dominierte Welt, wären da nicht Coffy, Foxy und Cleo, die neben ihren Rachezügen gegen Koks und Heroin auch den Machismo tapfer angehen. Da ist Pam Grier als heißkalte Krankenschwester, die ihre an einer Überdosis gestorbene Schwester rächt („Coffy“, 1973) oder den von The Man erschossenen Undercover-Freund („Foxy Brown“, 1974). Neben Grier („a whole lotta woman“, sagt ihr Bruder) ist da auch noch das 1,88-Meter-Vollweib Tamara Dobson, das in „Cleopatra Jones“ (1973) zeigen darf, dass es auch eine anmutige Karate-Kämpferin ist. Das Ex-Model bringt auch in ihrer Rolle als weibliche James-Bond-Ausgabe in jeder Einstellung eine neue höchst aufwendige Robe mit – vom Pelzjäckchen bis zur federbesetzten Diva-Kappe. Silvia Hallensleben

Im Arsenal vom 20. Juli bis 24. August

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