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Kultur: Wie im Knast

Die Tanztruppe Kublai Khan Investigations im PodewilVON NORBERT SERVOSNur ganz allmählich lösen sich Schemen aus dem Dunkel.Eine Frau kauert am Boden und reißt Strichhölzer an.

Die Tanztruppe Kublai Khan Investigations im PodewilVON NORBERT SERVOSNur ganz allmählich lösen sich Schemen aus dem Dunkel.Eine Frau kauert am Boden und reißt Strichhölzer an.Ein Mann zuckt und windet sich auf einem Stuhl.Ein anderer liegt wie schwebend, wie tot über einer Lehne.Eine düstere Szenerie.Es geht zu wie im Knast.Man verbringt seine Zeit mit dumpfem Warten.Doch die Szene ist offen, ein kahlschwarzer Raum, den man betreten und verlassen kann.Links hängt, wie ein Fetisch, eine große rostige Eisenplatte.Verstreut stehen einige Stühle, liegen Stapel von Hohlziegeln.Nichts bewegt sich wirklich. Die Gruppe Kublai Khan Investigations aus dem französischen Chateauvallon, die ihr Stück "Wagon Zek - Dépôts 2" im Rahmen von "Körperstimmen 3" im Podewil zeigt, hat vier Tänzer und sechs Choreographen.Cynthia Phung-Ngoc, Fabrice Lambert, Ivan Mathis und Frank Micheletti entwickelten die Choreographie gemeinsam, unterstützt von Josef Amerveil und Laurent Letourneur.Die Vision des Choreographenkollektivs gleicht der Atmosphäre apokalyptischer Endstimmung in den Filmen von Derek Jarman.Alle Beziehungen zwischen den Personen scheinen verloren gegangen.Blind tasten sie in die Dunkelheit, nicht wissend, was sie suchen.Es ist ein Ort nach der Katastrophe, an dem die Zeit still steht. Die kurzen Tänze, zu denen sich zwei oder drei immer wieder finden, repetieren eine karge Ordnung: Äußerst präzise wird das hart geschnittene Material getanzt, als liefere das akkurate Befolgen der erlernten Formel wieder eine Orientierung.Zur Not manipuliert man den eigenen Körper, bringt ihn zum Tanzen, auch wenn man nicht weiß, warum.Eine perfekte Ton- und Lichtcollage (Patrick Riou, Pierre Vignat) hält das Geschehen in Gang, öffnet und schließt die Räume, mischt Donnergrollen, Knistern mit einander überlagernden Musiken.Die schnellen Rhythmen freilich schaffen nur scheinbare Lebendigkeit; die Grundstimmung ist Ratlosigkeit. Gegen Ende verkehren sich die Perspektiven.Die Frau bringt die schwere Eisenplatte ins Drehen - eine Ahnung von Bewegung.Aus einem Sack streut sie Sand, sät Wüste.Eine Violine spielt zerkratzte Flageolettöne.Die Männer liegen am Boden, träumend oder verzweifelt.In der Mitte steht die Frau, schlägt leise mit Zimbeln einen vorsichtigen Rhythmus - alles ist, wie es immer schon war.Nur friedlicher. Noch einmal heute, 20.30 Uhr.

NORBERT SERVOS

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