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Kultur: Wie man Schmuck präsentieren kann, ohne den Kunden mit zu großer Auswahl zu erschlagen

Wie präsentiert man Schmuck so, dass der Betrachter nicht in Hektik gerät? Schmuck ist kleinteilig, er ist teuer und wird überdies oft von Männern als Geschenk gekauft, die sich nicht recht kompetent fühlen und die verunsichernde Situation am liebsten so schnell wie möglich hinter sich bringen wollen.

Von Susanna Nieder

Wie präsentiert man Schmuck so, dass der Betrachter nicht in Hektik gerät? Schmuck ist kleinteilig, er ist teuer und wird überdies oft von Männern als Geschenk gekauft, die sich nicht recht kompetent fühlen und die verunsichernde Situation am liebsten so schnell wie möglich hinter sich bringen wollen. Wer Schmuck verkaufen will, muss sich also Gedanken machen, wie er den Kunden für eine Weile zur Ruhe zwingen kann. Fast gleichzeitig zeigen zwei Geschäfte in Berlin unterschiedliche Präsentationsvorschläge.

Chic Choc betreibt seit 15 Jahren einen Laden in der Holsteinischen Straße. Mike Schock und Monika Ruppel entwerfen selbst Kollektionen, verfolgen aber gleichzeitig das Ziel, ein möglichst großes Spektrum an modernem Schmuck vorzustellen. Während sie in ihrem neugestaltenen Laden Ruhe in die Vielfalt bringen, lenkt der Ulmer Juwelier Ehinger-Schwarz, selbst bekannt für innovatives Schmuckdesign, bei seiner Präsentation der Schmuckmanufaktur Niessing im neueröffenten Stilwerk die Konzentration auf ein einziges Thema.

Niessing, ansässig im nordrhein-westfälischen Vreden, entwickelt seit 25 Jahren zeitgemäßen Schmuck. Jedes Stück ist auf die Essenz einer Form reduziert. Auf den ersten Blick wirken die Uhren ohne Firmenlogo, die schlichten Armreifen und Ringe minimalistisch. Tatsächlich schafft die Konzentration auf ein Element aber einen Freiraum, in dem etwa zwei Schnörkel an einem Spannring unerwartet barock erscheinen. Die flexiblen, dreifach aus schmalem Goldband geflochtenen Hals- und Armbänder wirken gleichzeitig pur und opulent.

Dieser Philosophie entsprechend wird in dem nüchtern gestalteten Geschäft in zwei- bis dreimonatigem Wechsel jeweils ein Thema der Kollektion präsentiert. Derzeit informieren Texttafeln und eine kleine Ausstellung über Entstehung und Herstellung des Spannrings von der klassischen Diamanteneinfassung bis zu dem verblüffenden Stück, in dem der Stein nur noch lose von der Einfassung gehalten wird und ungehindert die Haut berührt - das perfekte Beispiel für einen hohen Grad an Emotionalität mit aufs Äußerste reduzierten dekorativen Elementen. Andere Schmuckstücke befinden sich in Glascontainern, ebenfalls nach Themen geordnet und ruhig präsentiert.

Dagegen standen Chic Choc vor der Aufgabe, die Arbeiten von 60 bis 70 modernen Schmuckdesignern so zu zeigen, dass der Betrachter nicht überfordert wird. In ihrem hohen, schmalen Verkaufsraum installierten sie schlanke Paternoster, auf denen insgesamt 180 Schmuckstücke vorbeiziehen. Diese stetige Bewegung wird unterstützt vom Plätschern einer Wasserskulptur, ihr entgegengesetzt sind klare Oberflächen ohne Ornamente. Ein weiterer Gegensatz ist die Industrietechnik von teilweise sichtbaren Ketten und Zahnrädern im Vergleich zum feinen Material und Design des Schmucks. Im hinteren Ladenteil ist die Kollektion von Chic Choc in großen Wandvitrinen ausgestellt. Auch hier haben die beiden Designer mit Gegensätzen gearbeitet, etwa buntes Aluminium in Beziehung zu Silber oder gar 1000er Gold gesetzt, kleine Wollbommel zu Halsketten aufgereiht oder ironisch ein rotes Herz mit goldenen Flügeln versehen.

In beiden Geschäften wird größter Wert auf Information und Beratung gelegt. Auch Michael Schock plant Texttafeln, und zwar auf digitalen Bildschirmen. Die Kunden lesen gerne, hat er festgestellt. Und Marc Kaufmann will Niessing präsentieren "wie ein guter Galerist, der seine eigene Meinung zum Angebot hat". Zur Verfeinerung der rauhen Hauptstädter tragen ohne Zweifel beide Geschäfte bei.Chic Choc, Holsteinische Straße 42 (Wilmersdorf). Niessing im Stilwerk, Kantstraße 17 (Charlottenburg).

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