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Kultur: Wien - Berlin, ein Reim

Claus Peymann erobert das Schiller-Theater - freilich nicht in persona, sondern in effigie.Der Wiener Burgherr, der demnächst das Berliner Ensemble übernimmt, eröffnet das 36.

Claus Peymann erobert das Schiller-Theater - freilich nicht in persona, sondern in effigie.Der Wiener Burgherr, der demnächst das Berliner Ensemble übernimmt, eröffnet das 36.Theatertreffen Berlin als Bühnenfigur seines Leib- und Magendramatikers Thomas Bernhard: "Claus Peymann kauft sich eine Hose und geht mit mir essen", eine Folge von drei Dramoletten aus den Jahren 1986/87, wirft satirische Schlaglichter auf die Anfangszeit des deutschen Theatermannes an Österreichs Haupt- und Staatstheater und erweist sich doch, hier und heute, als keineswegs historisch datiert.Da sprühen vielmehr unversehens Funken ironischen Hintersinns in die Situation der deutschen Metropole des Jahres 1999 hinüber: Wien und Berlin, das reimt sich nicht von ungefähr, und so darf, wenn von der einen Stadt die Rede ist, an die andere gedacht werden.Er hebe "das Burgtheater jeden Tag so hoch / wie kein anderer Theaterdirektor seine Bühne in die Höhe hebt", brüstet sich der Bühnen-Peymann, worauf der Bühnen-Bernhard erwidert, da sei er "ja ein richtiger Kraftlackel", und auf die Frage, was das sei, erläutert: "Ein Kraftlackel ist ein Mensch / der gar nicht soviel Kraft hat / wie er haben müßte / aber soviel Kraft zeigt wie kein anderer." Ein zwiespältiges Lob, an das sich der reale Peymann erinnern mag, wenn er alsbald in die Konkurrenz mit seinen Berliner Intendantenkollegen eintritt ...

Der reale Peymann war an diesem Eröffnungsabend des Theatertreffens lediglich in den Foyers des Schiller-Theaters zugange, durfte sich jedoch auf der Bühne von seinem Alter ego bestens vertreten fühlen.Martin Schwab, Peymann-Protagonist schon in Stuttgart und Bochum, hat sich die Attitüden seines Prinzipals perfekt einverleibt und in Bernhards lamentierende Crescendo-Diktion eingehört; wie ein Katarakt sprudeln die Tiraden des Schmähredners über die Lippen des erblondeten, mal großspurig aufbrausenden, mal selbstgefällig lächelnden Geistestheaterkopfes und lassen die hohe Stirn allmählich schweißnaß erglänzen.Naturgemäß, hat Schwabs Peymann doch in allen drei Dramoletten unablässig das Sagen.Kirsten Dene dagegen glänzt eher durch die Wandlungsfähigkeit, mit der sie, die Haartracht wechselnd, von einer Rolle in die andere schlüpft: von der persönlichen Referentin des Intendanten in die seines Lieblingsdramatikers und weiter in die seines Dramaturgen Hermann Beil.Freundschaftlich spöttisch faßt dieser Bühnen-Bernhard, an seiner aufgepappten Nase vorbei, den Bühnen-Peymann ins Auge; ruhig gefaßt, ein Dramaturgenleben lang gewöhnt, das Intendantentemperament zu ertragen, rafft sich der Bühnen-Beil nur einmal aus seiner Lethargie auf, nämlich wenn er von seinen Alpträumen erzählt: "Weil wir immer nur den höchsten Anspruch im Kopf haben / und weil wir mit dem höchsten Anspruch nach Wien gegangen sind / wache ich jede Nacht mit einem Angstschrei auf."

Wie soll das weitergehen? "Wir werden auch mit Wien fertig werden / mein lieber Beil", tröstet ihn der Bühnen-Peymann."Wenn ich Sie nicht hätte." Und wieder reimt sich, heimlich, Berlin auf Wien: Hermann Beil, der reale, wird er Claus Peymann, dem realen, auch am Berliner Ensemble treu bleiben? Der prasselnde Beifall, mit dem das Publikum des Theatertreffens die Wiener Gäste feierte, nicht nur die Peymann- und Beil-Doppelgänger, sondern auch den jungen Regisseur Philip Tiedemann, der seinem Intendanten ans BE folgen wird - er muß schließlich auch dem Dramaturgen eingehämmert haben, wie sehr er in Berlin gebraucht wird.GÜNTHER GRACK

Noch einmal heute, 20 Uhr 30.

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