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Kultur: "Wieso hast du überlebt?"

"Es ist vielleicht eine der letzten Veranstaltungen in diesem Haus.Die Zukunft ist bekanntlich düster.

"Es ist vielleicht eine der letzten Veranstaltungen in diesem Haus.Die Zukunft ist bekanntlich düster.Wir hatten auf mehr Leute gehofft." Die Begrüßung durch den Sprecher des "Hauses der Demokratie" war ein Abgesang, lustlos und ohne Witz.Ein ignoranter Auftakt, den das Thema des Abends und das offenkundige Interesse der gut dreißig Besucher nicht verdient hatte.Es ging um den kommunistischen Widerstand gegen die NS-Diktatur, genauer: das Bild, das sich die westdeutsche Gesellschaft von diesem Widerstand gemacht hat.

Die Historikerin Stefanie Schüler-Springorum von der Gedenkstätte Sachsenhausen skizzierte zunächst die Karriere des kommunistischen Widerstandes als Objekt der westdeutschen Geschichtsforschung.Dort war er bis in die 50er Jahre praktisch ein Unthema.Einen "Schub" brachte der Kalte Krieg in den 60er Jahren.Die DDR bewirtschaftete das Thema als Legitimationsquelle, die mit den "Helden des Widerstands" die ideologischen Leitfiguren lieferte.Auf westdeutscher Seite setzte man dem den "20.Juli" und den christlichen Widerstand entgegen und betonte die "Bedeutungs- und Erfolglosigkeit" der Kommunisten.Die Systemkonkurrenz fixierte Ost- und West-Historiker aufeinander: Verteufelt wurde die Legenden und Helden der jeweils "anderen Seite".Einen Durchbruch brachten im Westen in den 70er Jahren die Studien zur Regional- und Alltagsgeschichte sowie die Bewegung der Geschichtswerkstätten, die 1983 einsetzte.Der Widerstand wurde nicht mehr auf den Schlag gegen die "entscheidenden Machtstrukturen" eingeengt, sondern auch das "nicht-angepaßte Verhalten" im Alltag einbezogen.Heute sei die Frage, so Schüler-Springorum, ob es gelinge, die empirische Forschung der DDR mit den sozialhistorischen Ansätzen zu kombinieren.

Georg Fülberth, Politologe aus Marburg, zog die "politische Spur" zu dieser Forschungsgeschichte.Die Bundesrepublik der 50er Jahre betrachte den kommunistischen Widerstand fast als Verbrechen: "Eine totalitäre Ordnung sollte durch eine andere totalitäre Ordnung ersetzen werden." Kommunisten wurden zwar als "Widerständler" anerkannt, aber Entschädigungen verweigerte man diesen "Feinden der Demokratie".Ein politisches Klima, das nicht ohne mentale Auswirkungen blieb.Die Angst vor der "Stigmatisierung" - symptomatisch der Vorwurf "Landesverräter" an "Willy Brandt alias Herbert Frahm" - machte die Widerständler stumm.Eine psychologische Stütze habe der politische Antikommunismus in der Haltung der "Mitläufer", die den Hinweis auf Widerstand als lästige Vorhaltung des "eigenen Versagens" abwehrten.Die heutige Einordnung des kommunistischen Widerstands kommt Fülberth vor wie ein Rückschritt in die 50er Jahre.Sein Beispiel: Die Ausschlachtung von Lutz Niethammers Buch über das KZ Buchenwald von 1994 durch die Presse.

Fast wäre es hier zu einer Kontroverse gekommen: Der Moderator Siegfried Heimann von der FU hatte verpaßt, daß Fülberth nicht das Buch, sondern seine Rezeption kritisiert hatte, und meinte, eine Lanze für Niethammer brechen zu müssen.Einen Ertrag hatte sein Fehlstart immerhin: "Empirisches Material", wie die "Akte Buchenwald", wurde - so Fülberth - in der DDR nicht zum Zwecke der Wissenschaft gesammelt, sondern war "Kaderforschung": Die Funktionäre von Staat und Partei wurden "aufgeklärt" und aus dem "Versagen der Helden" biographische Minen gefertigt.Diese Akten sind jetzt offen, ihre Interpretation und Einordnung umstritten.Aber, Rückschritt in die 50er Jahre? Es sieht nach einer neuen Debatte aus.

GERWIN KLINGER

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