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Kultur: Wildwest

Eine Berliner Tagung über die digitale Gesellschaft

Ist das ein Zeichen? Eine Konferenz zu „Kultur, Medien und Politik im Netzzeitalter“, also zum Thema Kommunikation, und dann steht man vor einem leeren Veranstaltungsraum in der Volksbühne, weil die Achtung-neuer-Ort-Mail (wegen Zoff um den Referenten und Ex-Volksbühnen-Dramaturgen Stefan Rosinski) irgendwie verloren ging. Aufgeregt werden Smartphones aus den Taschen gefummelt. Dank Navigations-App bekommt man eine Viertelstunde später in der Lobbyistenetage von E-Plus Unter den Linden noch mit, wie Klaus Siebenhaar Bilder von Beuys an die Wand projiziert. Stichwort: erweiterter Kunstbegriff. Siebenhaar ist als Direktor des Instituts fürs Kultur- und Medienmanagement an der FU Gastgeber der Veranstaltung „,Die neue Nähe’. Ein multidisziplinärer Austausch über Folgen und Herausforderungen der ,digitalen Gesellschaft’“. Medienmenschen, Künstler und Internetbeauftragte von Parteien halten Referate. Als Erstes sagt Horst Seidenfaden, Chefredakteur der in Kassel ansässigen HNA, dass er den Begriff der „Neuen Nähe“ doof findet, seine Zeitung sei schon immer lesernah gewesen. Allerdings sei sie noch lesernäher geworden, seit man nicht mehr Welt-, sondern Regionalnachrichten auf der ersten Seite drucke. Obwohl die Klickzahlen des Online-Auftrittes gestiegen seien, kümmert ihn das Internet nicht, weil man „damit keine müde Mark verdient“.

Da widerspricht Christoph Dowe von „Zeit Online“. Geld ja, allerdings noch keine schwarzen Zahlen. Dowe interessiert das Anforderungsprofil des OnlineJournalisten. Der müsse auf Kommentare reagieren und sich thematisch von den Lesern inspirieren lassen. Dialogisches Arbeiten sei gefragt. Apropos: „Wir suchen natürlich noch engagierte Mitarbeiter“, spricht er ins Auditorium, in dem ungefähr fünfzig Studenten sitzen. „Wir natürlich auch“, sagt Michael Maier, der früher Chefredakteur von „Stern“ und „Netzeitung“ war und heute Geschäftsführer von „Blogform“ ist. Dann legt er die Herausforderungen der nächsten Jahre dar: Wildwest-Info-Brokern das Handwerk legen und den Trend zur User-Manipulation durch mehr Transparenz stoppen. Darin sind sich alle einig: Das Zeitalter der „One-Way-Kommunikation“ ist vorbei. Die User, beziehungsweise „Die da draußen“ wollen partizipieren.

Stimmt nicht, sagt Stefan Hennewig, der für die CDU Internetwahlkampf betrieb. Der User will informiert werden. Nachdem der sympathisch selbstironische Gunnar Bender von E-Plus einen Einblick in hippe Lobbyarbeit von heute (Facebook! Fangruppen!) gegeben hat, weist schließlich der Blogger Robin Meyer-Lucht darauf hin, dass es im Internet „viel um Partikularinteressen geht. Es herrscht eine große Verwirrung“. Verwirrt fragt man sich, ob diese Veranstaltung noch Konferenz oder schon Jobbörse ist. Eine Frage, die aus den Tiefen des analogen Zeitalters kommt und verdammt von gestern ist. Andreas Schäfer

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