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Kultur: Wir in Kreuzberg

verzichtet im Nachtleben auf Coolness An der Tür stehen zwei glatzköpfige Bodybuilder, aber die sind nur Attrappe. Erfreut wie Hundewelpen begrüßen sie die Gäste und kassieren vier Euro Eintritt, vorausgesetzt man kommt erst nach halb eins, und die Band ist schon fertig.

verzichtet im Nachtleben auf Coolness An der Tür stehen zwei glatzköpfige Bodybuilder, aber die sind nur Attrappe. Erfreut wie Hundewelpen begrüßen sie die Gäste und kassieren vier Euro Eintritt, vorausgesetzt man kommt erst nach halb eins, und die Band ist schon fertig. Die Junction Bar an der Kreuzberger Gneisenaustraße 18 ist für ihre Konzerte von Jazz bis Soul berühmt, manchmal auch für beides zugleich, wie am 20.5. mit der multikulturellen Musik von Tayo & The Soul Knights , oder am 21.5. mit dem eher klassischen Konzert von The Motown Lovers . Berüchtigt aber ist die Junction Bar für das, was sich nach den Auftritten im hinteren Raum abspielt. Club mit DJ-Programm, lautet die offizielle Beschreibung, aber das ist entweder unter- oder übertrieben, denn der Junction Bar fehlt alles, was einen Club zum Club macht. Inneneinrichtung zum Beispiel. Atmosphäre. Superhippe Menschen. Angesagte Musik. Also all die Elemente einer Inszenierung, die dem Clubgänger das aufregende Gefühl vermitteln sollen, am Puls der Zeit zu sein.

Die Junction Bar wartet dagegen mit ungeschönter Nacktheit auf, die nichts mit modischem Purismus oder ironisch ausgestellter Schäbigkeit zu tun hat. Es gibt eine winzige Tanzfläche, einen DJ-Verhau, die Boxen stehen auf monströsen Stativen sperrig in den Ecken, und auf einer erhöhten Ebene lungern zwei schwarze Ledersofas herum. Runtergerockt, würde man im verklärenden Prenzlauer Berg behaupten. Wir in Kreuzberg dagegen sagen, wie es ist: Obwohl erst 1993 eröffnet, ist die Junction Bar schlicht heruntergekommen. Entweder die Zeit, in der sie Wert auf ihr Äußeres gelegt hat, ist vorbei. Oder sie hat nie existiert. Vielleicht ist Kreuzberg aber auch ein Verfallsbeschleuniger. Hier erwartet man das Wunder nicht von außen, hier kann es keine Enttäuschung geben. Ein durch und durch sympathischer Ort also, der ein sympathisch gemischtes Normalpublikum anzieht. Schüler, Althippies, türkische Kiezdiven, Salsakönige, die sich aufs Wesentliche konzentrieren und gutgelaunt tun, wozu sie gekommen sind: zu tanzbarer Musik bis in die Morgenstunden tanzen.

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