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Kultur: Wir kennen viele

„Yossi und Jagger“ und andere Panorama-Filme über schwule Identität

Yossi (Ohad Knoller) ist jung, hübsch und leichtsinnig. Ausgelassen tollt er mit seinem Freund im Schnee, unter der Uniform trägt er bloße Haut. Auch Gerardo (Juan Carlos Ortuño) ist schön: ein verschlossener, dunkler Typ, kantige Züge, nur der Mund ist weich, zeigt Verletzlichkeit.

Beide dominieren sie ihre Filme. Yossi und Jagger , die Liebe zweier Offiziere in der israelischen Armee, hat in Israel für Aufregung gesorgt. Das Thema, ein Tabu bis heute, wird von Eytan Fox ungewöhnlich offen angegangen; die Kritik an einer Doppelmoral, mit der Vorgesetzte ihre weiblichen Soldaten missbrauchen, während sie gleichzeitig ihre Truppen in den Tod schicken, ist deutlich. Dass es im ganzen Film, der eine Truppe an der Grenze zum Libanon zeigt, kaum je um Krieg geht, dass der Feind, der am Ende als Schicksalsmacht auftritt, kein Gesicht bekommt, dass niemals danach gefragt wird, warum hier Krieg geführt wird und gegen wen, macht den Film außerhalb Israels allerdings sehr angreifbar.

Julián Hernández, 1972 in Mexico City geboren, hat seinem ersten Langfilm den wohl längsten Titel der Berlinale gegeben: Mil nubes de paz cercan el cielo, amor, jamás acabarás de ser amor beschreibt die Suche Gerardos nach seinem Lover, hilflose Annäherungsversuche und das quälende Warten zwischendrin. So prätentiös wie der Titel ist der ganze Film: In erlesenen Schwarzweißbildern, bedeutungsschwer zu Stills geronnenen Szenen und langen, tiefen Blicken wird eine ziemlich dünne Geschichte erzählt.

Verglichen mit solcher Spielfilmkost strotzen die Dokumentarfilme zum Thema „schwule Identität“, derer es im Panorama wie immer reichlich gibt, nur so vor Kraft: Fight Back, Fight Aids , James Wentzys Videodokumentation der AidsKampagne „Act Up“ zeigt den 1990 an Aids gestorbenen Filmwissenschaftler Vito Russo („The Celluloid Closet“) bei einer seiner letzten Reden. Minuten, die man nicht vergisst, so wenig wie Russo und seinen Traum von einer Welt, in der das Thema Aids Vergangenheit ist. Auch Ottavio Mai, der 1986 in Turin das Gay & Lesbian Festival gründete, steht im Mittelpunkt eines Porträts ( Ottavio Mario Mai , gedreht von seinem Lebensgefährten Giovanni Minerba): eine Hommage an das Kino wie an seinen unermüdlichen Verfechter.

Ich kenn keinen – Allein unter Heteros von Jochen Hick liegt geografisch am nächsten und ist doch erschreckend fremd: Er zeigt die deutsche Provinz in Schwaben, wo kaum jemand zugibt, einen Schwulen zu kennen, und der Christopher Street Day in Ravensburg noch Proteste von Kirche und Bevölkerung hervorruft. Vier Männer hat Panorama-Dauergast Hick begleitet, auf ihre Fluchten nach Zürich, Berlin oder Thailand und nach Hause auf die Dörfer, wo sie noch bei Muttern leben, die Nachbarn meiden, jahrelang ihre Identität verleugneten oder einen verzweifelten Aufklärungskampf kämpfen. Dennoch ist der Film meistenteils eine Freude – weil seine Figuren mit sich im Reinen sind. Einzig Hartmut, der sich erst nach seiner Aids-Erkrankung offenbarte, ist eine tragische Figur: in seinem Bemühen, angesichts seines verfallenden Körpers die Würde zu bewahren. Dass er wohl nie mehr erleben wird, was Beziehung und Glück bedeuten, ist bitter. til

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