zum Hauptinhalt
Foto: KarlheinzSchindler/dpa

© picture alliance / dpa

Kultur: „Wir müssen Druck erzeugen“

Hans-Olaf Henkel über den Appell für Ai Weiwei

Am Freitag wird im Rahmen des Gallery Weekend eine Ausstellung mit Arbeiten von Ai Weiwei in der Galerie Neugerriemschneider eröffnet. Hans-Olaf Henkel, der Ai Weiwei persönlich kennt und sich seit dessen Verschleppung am 3. April für Ais Freilassung einsetzt, fordert im Vorfeld des Kunstwochenendes Solidaritätsaktionen von den Veranstaltern.

Herr Henkel, wie ist aus Ihrer Forderung der „Berliner Appell“ zur Freilassung Ai Weiweis entstanden?

Es war eine Gemeinschaftsaktion, vor allem vom Galeristen Alexander Ochs, dem Sinologen Michael Lackner, dem Unternehmensberater Jochen Noth und mir. Nicht alle Galeristen reagierten positiv. Sie fürchten wohl um ihre Beziehungen zu den chinesischen Quellen.

In dem von mehr als 100 Prominenten unterzeichneten Aufruf fordern Sie die „deutsche Politik, Wissenschaft, Kultur und Wirtschaft auf, sich öffentlich und nichtöffentlich“ einzusetzen.

Wenn Sie die Qualität der Unterzeichner sehen, können Sie sagen: Der Aufruf hat eingeschlagen wie eine Bombe. Die chinesische Botschaft – ich kenne die Genossen ja schon lange – lässt sich eigentlich von Unterschriftenlisten nicht beeindrucken. Auch nicht mehr von Amnesty International, das sind sie gewöhnt. Aber wenn jetzt eine Reihe bekannter Sinologen, zum Beispiel Herr Lackner, sich melden, dann hat das eine ganz andere Bedeutung.

Neben 18 Sinologen haben auch Wirtschaftsvertreter den Appell unterzeichnet.

Es hat mich gefreut, dass der Unternehmensberater Roland Berger den Appell mit unterschrieben hat, das ist außergewöhnlich. Ich will nicht verhehlen, dass ich einige andere Leute gebeten habe, die geschwiegen haben. Oder sogar klar gesagt haben, dass sie das nicht machen wollen. Einige dieser Antworten kann man akzeptieren, andere nicht.

Die Absagen kamen aus ökonomischen Gründen?

Ja, sicher. Aber ich habe das Gleiche auch von Kunstmäzenen und Kunstkennern gehört. Es ist schon erstaunlich, mit welch zweierlei Maß hier die Menschenrechte gemessen werden.

Welche Argumente haben Sie gehört?

Die Ehrlichsten sagen: Ich will meine Ansprechpartner in China nicht verlieren. Andere sagen: Das soll die Politik machen. Dann gibt es Leute, und da werde ich fuchsteufelswild, die sagen: Wir machen das anders, wir reden unter vier Augen. Ganz davon abgesehen, dass sie das selten tun: Die Kritik an Menschenrechtsverletzungen unter vier Augen vorzubringen, ist ein Widerspruch in sich. Das erzeugt nicht den nötigen Druck. Im „Berliner Appell“ sind Galeristen, Künstler und Wissenschaftler versammelt, die auch von Kontakten in China abhängig sind, die gehen alle berufliche Risiken ein. Auch Herr Berger und meine Wenigkeit müssen vielleicht damit rechnen, keine Visa mehr zu bekommen.

Also: Mehr Haltung im Geschäftsleben?

Natürlich kann man nicht von jedem Wirtschaftsführer verlangen, dass er in Peking mit einem Transparent herumläuft. Wenn meine These stimmt, dass Marktwirtschaft zu Demokratie führen muss, dann muss man auch wirtschaftliche Beziehungen zu diesen Ländern unterhalten. Aber es ist fatal und falsch, Menschenrechte und Wirtschaft zu trennen. Gerade ist eine US-Delegation in Peking ...

... zum „Menschenrechtsdialog“, den China und die USA an diesem Mittwoch und Donnerstag abhalten.

Im Vorfeld hat die US-Regierung klar und deutlich Stellung bezogen, viel klarer als die Deutschen: Das Verschwinden von Künstlern, Regimekritikern und Presseleuten ist inakzeptabel. Hier eine Message an meine Kollegen in der Wirtschaft: Mir ist noch von keinem amerikanischen Unternehmen berichtet worden, dass sie einen Auftrag verloren hätten, weil ihre Regierung zu aggressiv die Menschenrechte eingefordert hat.

Hans-Olaf Henkel, 71, parteilos, war bis 2000 Präsident des Verbandes der deutschen Industrie. Er ist langjähriges Mitglied von Amnesty International. Mit ihm sprach

Jan Oberländer.

Zur Startseite