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Kultur: „Wir müssen uns mit Venedig messen“

Zum Start des 22. Münchner Filmfests: Gespräch mit dem neuen Leiter Andreas Ströhl

Heute beginnt das 22. Münchner Filmfest. Das nach der Berlinale zweitgrößte Filmfestival in Deutschland zeigt bis nächsten Sonnabend 197 Filme aus 35 Ländern. An der Spitze hat es in diesem Jahr eine Veränderung gegeben: Der 42jährige Münchner Andreas Ströhl, zuvor 15 Jahre für das Goethe-Institut tätig, löst Gründungsdirektor Eberhard Hauff nach 21 Jahren als Festivalleiter ab.

Herr Ströhl, die Festivalleitung hat mit Ihnen ein neues Gesicht bekommen. Wird sich auch das Gesicht des Filmfests ändern?

Es gibt viele kleine Änderungen, die in der Summe aber ein anderes Erscheinungsbild schaffen. Dazu gehört, dass der gesamte visuelle Auftritt einheitlicher und übersichtlicher ist – vom Katalog und Programm über das Plakat bis zum Trailer und Internetauftritt. Dazu gehört aber vor allem, dass die Kinos in Gehweite auf einer „Isarmeile“ zusammengelegt wurden. Der in den letzten Jahren zurecht kritisierte Verlust an Atmosphäre war darauf zurückzuführen, dass die Kinos über die ganze Stadt verteilt waren. Jetzt können sich gleichgesinnte Besucher im öffentlichen Raum vor den Kinos begegnen. Davon profitieren auch die Filme. Denn auf einem atmosphärisch griffigen Festival entsteht eine emphatische Stimmung, ein Rauschzustand, der Lust auf Filme macht, die sich die Besucher normalerweise nicht ansehen würden. Und dass ist genau die Funktion, die ein Filmfestival hat: Filme zu zeigen, die gar nicht zu sehen wären, weil sie keinen Verleih finden und Leute in diese Filme zu bringen.

Haben Sie an der Filmauswahl gefeilt?

Wir haben die Experimentalfilmreihe abgeschafft. Die Reihe mit neuen deutschen Fernsehfilmen wurde drastisch verkleinert. Es gibt, gerade in Deutschland, gute Fernsehfilme; es wäre schade, wenn die in einer Masse untergehen würden. Eingeführt haben wir eine Reihe mit jungem asiatischen Kino, wie es so erst seit wenigen Jahren existiert. Was ich gerne mehr gezeigt hätte, ist afrikanisches und osteuropäisches Kino. Aber da war qualitativ nichts da.

Die Retrospektive, die 2003 ganz entfiel, erhält in diesem Jahr durch die Gebrüder Kaurismäki ein besonderes Gewicht.

Hier gibt es eine doppelte Veränderung. Zum einen ist es eine komplette Retrospektive. Es gibt nur einen Film, der nicht zu sehen ist, weil Aki Kaurismäki ihn aus inhaltlichen und technischen Gründen nicht gezeigt haben will. Zum anderen greifen wir auf Regisseure zurück, die noch mittendrin stehen im Filmschaffen. Ich hätte mir auch eine Sam-Peckinpah-Retrospektive vorstellen können. Aber das ist Sache der Filmmuseen. Peckinpah ist tot. Aki und Mika Kaurismäki hier zu haben, passt dagegen sehr gut zu einem Festival.

Abgesehen von den beiden berühmten Finnen fällt auf, dass weniger Wert auf Glamour gelegt wird.

Die Filme sollen im Vordergrund stehen. Sie wurden ja nicht anhand von Prominenten ausgewählt, die vielleicht nach München kommen könnten. Wir haben aber in nahezu allen Fällen den Regisseur eingeladen. Das sind keine Leute, die auf den Titelseiten der „Bunten“ oder „Gala“ erscheinen werden. Mit ihnen kann jedoch man sehr gute Film-Diskurse führen. In dieser Hinsicht sind mir die Regisseure wichtiger als die Schauspieler.

Kritischer Blick zurück: Was hatte unter Eberhard Hauff nicht mehr funktioniert?

Das Festival stammt noch aus einer Zeit, als man mit Hof und später Saarbrücken konkurriert hat. Heute müssen wir uns mit den Festivals von Moskau und Yokohama messen, im Grunde auch mit Venedig und Locarno. Wir müssen immer bedenken, warum deutsche Filme hier uraufgeführt werden sollen und nicht dort. Wir wollen kein A-Festival sein und der Berlinale Konkurrenz machen – völlig abstrus. Aber mittelfristig bekommt man die Filme nicht mehr, wenn man nicht Weltgeltung hat. Deshalb müssen wir internationaler werden. Ich habe mal böse gesagt: Das Münchner Filmfest ist weltbekannt – aber nur in Deutschland.

Die Fragen stellte Julian Hanich.

Andreas Ströhl,

Jahrgang 1962, ist seit 1. Oktober 2003 als Nachfolger von Eberhard Hauff Leiter des Münchner Filmfests. Zuvor war er Leiter der Filmabteilung des Goethe-Instituts.

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