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Kultur: Wirr und wahr

Die Ausstellung „His Master’s Voice“ in Dortmund macht Sprache bildnerisch sichtbar.

Sprache, das ist bei Stefan Panhans kein Mittel der Kommunikation. Sondern ein Krieg der Wörter, in dem sich der Protagonist seines Videos befindet. Diese vertraute Mischung aus Deutsch und Türkisch, in der nicht bloß Kreuzberger Kids überaus ökonomisch – also möglichst ohne Artikel, Adverben und Adjektive – ihren Alltag abbilden, schallt einem in Dortmund aus dem Video „Sieben bis zehn Millionen“ (2005) entgegen. Eine fünfminütige Abhandlung über den Kauf eines Gegenstandes, der im Netz billiger zu haben ist – wenn man aufpasst, sich nicht abzocken lässt und immer schön misstrauisch bleibt.

Es klingt wie ein Rap. Ein verbales Monster aus Rhythmus und Schmäh, ohne Komma und Punkt, das ebenso fasziniert wie erschreckt. Weil es sein könnte, dass die Frau im Hoodie tatsächlich offenbart, wie sie unter ihrer Schirmmütze tickt. Vielleicht aber auch perfekt einstudiert. Als anschauliche Lektion des Berliner Künstlers Panhans über einen Konsumenten, dessen Alltagswünsche existenzielle Dimension annehmen und etwas in ihm implodieren lassen. Authentisch wirkt dies allerdings nur, solange man eine Identität zwischen der Sprache und ihrem Produzenten annimmt.

Dabei versucht sich die Ausstellung „His Master’s Voice“ eigentlich am Gegenteil. „Von Stimme und Sprache“ heißt es im Untertitel des lange vorbereiteten Projekts, mit dem Kuratorin Inke Arms in den Hartware Medienkunstverein gezogen ist. Ein Ort, der sich explizit mit der Vermittlung experimenteller Medienkunst befasst und dies so angemessen umsetzt, dass er von der deutschen Sektion des Internationalen Kritikerverbandes (AICA) den Preis für die beste Schau des Jahres 2012 erhalten hat – für „Sounds Like Silence“ zum 100. Geburtstag von John Cage. Während es dort um das Zusammenspiel von Kunst und Musik ging, separieren in der aktuellen Ausstellung die Beiträge etwa von Bruce Nauman, Laurie Prouvost, Anri Sala oder Richard Serra und Nancy Holt das Gesprochene vom Autor. Um zu erkunden, wie „Sprache durch uns“ (Inke Arms) handelt. Und was sie anrichtet, sobald sie einmal losgelassen ist.

Das Ergebnis kann eine absurde Geschichte sein, wie sie Laurie Prouvost in „It, Heat, Hit“ (2010) erzählt: ein Alltagsabenteuer aus verbalen und filmischen Fundstücken, die so montiert werden, dass man an einen inneren Zusammenhang glaubt. Aber auch tief bedrückend. Dafür steht mit „Hate Radio“ (2011/2012) das Video einer Performance, für die der Schweizer Regisseur Milo Rau nach Ruanda reiste und Statements von Opfern wie Tätern des Genozids von 1994 aufgenommen hat. In „Hate Radio“, das als Bühnenstück unter anderem zum Theatertreffen 2012 eingeladen war, werden die Protokolle nacherzählt – zusammen mit jener Propaganda von Radio-Télévision Libre des Mille Collines, die das Massaker an der Tutsi-Bevölkerung mit unglaublicher Hetze vorbereitete. Ein klassisches Re-Enactment, in dem der Einsatz von Schauspielern eine gewisse Distanz erlaubt. Aber macht es das Gehörte weniger grausam? Lässt es sich adäquater analysieren, bloß weil Sprache und Sprecher nicht unmittelbar zusammenhängen?

Der Zuschauer sieht dennoch Menschen erzählen. Was aus ihren Mündern kommt, gerät zum oralen Zeugnis, die professionellen Schauspieler werden zu Bürgen und müssen aushalten, dass man sie unmittelbar mit den Zitaten identifiziert. Die autonome Video-Installation des International Institute of Political Murder, die sich längst von der Theaterinszenierung gelöst hat, macht auf diese Weise klar, wie wenig die mediale Trennung der Sprache vom Autor an unserem archaischen Reflex geändert hat: Wer etwas sagt, der hat ein Verhältnis zu seinem Inhalt.

Über solche inneren Zusammenhänge, die von der Kuratorin postulierte „Uneigentlichkeit und Unheimlichkeit des Sprechens“, denken die meisten der klug ausgewählten Arbeiten nach. Wobei vielleicht am meisten erstaunt, wie gut die Kunst mit ihren bildnerischen Mitteln diesem flüchtigen Phänomen auf die Spur kommt: Asta Gröting tut es in ihren Videos „The Inner Voice“, für die sie beim weltgrößten Festival der Bauchredner in Las Vegas ihre Darsteller samt Puppen engagierte und ihnen existenzielle Dialoge auf den Leib schrieb. Erik Bünger gelingt es in seinen filmisch-akustischen Reflexionen über die Aufnahme- und Wiedergabemedien der Moderne. Er klärt auch die Herkunft des legendären Logos der „Grammophon Company“, auf dem ein Hund mit schief gelegtem Kopf in den Trichter eines Grammofons lauscht. „His Master’s Voice“ zeigt Nipper, dessen zuvor verstorbener Besitzer Mark Barraud die eigene Stimme aufgenommen haben soll. Sein Hund spiegelt exakt die Verwirrung wider, der auch die Besucher der gleichnamigen Ausstellung unterworfen werden: Sie hören Stimmen, ohne dass ihre Sprecher anwesend sind. Christiane Meixner

„His Master’s Voice: Von Stimme und Sprache“, Hartware Medienkunstverein im Dortmunder U, Leonie-Reygers-Terrasse, bis 28. Juli

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