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Witiko Adler: Goldener Westen

Immer in der Familie: Der Berliner Konzertagent Witiko Adler wird für sein Lebenswerk geehrt.

Er ist der Letzte aus den großen Zeiten des kulturellen Schaufensters namens West-Berlin, der noch aktiv ist: Witiko Adler begann seine Karriere 1948, im Alter von kaum 20 Jahren, als ihm durch den Tod seines Vaters ungewollt früh die Leitung der 1918 gegründeten „Konzertdirektion Hans Adler“ zufiel. Damit das Familienunternehmen weiter bestehen konnte, musste er sich sogar von den amerikanischen Besatzern für volljährig erklären lassen. Im verwüsteten Schöneberg fand die im Krieg zweimal ausgebombte Firma zunächst in der Nähe des Victoria-Luise-Platzes ein Quartier, bevor Adler 1954 dann in jene Schmargendorfer Wohnung umziehen konnte, in der die Firma bis heute residiert.

Unterstützt von der Mutter, einer Malerin, deren im Chagall-Stil gehaltene Gemälde die Wände des Chefzimmers zieren, arbeitete der junge Witiko hier an seinem musikalischen Wirtschaftswunder, holte Künstler wie Eugene Ormandy oder Paul Hindemith erstmals nach Kriegsende wieder zurück nach Berlin, wurde bald zum wichtigsten privaten Konzertveranstalter der geteilten Stadt.

Der Geist der frühen Jahre ist in dem mit grauem Nesselfilz ausgelegten Büro noch zu spüren. Preußische Tugenden werden hier in der Auguste-Victoria- Straße 64 hochgehalten: Präzision, Zuverlässigkeit, Treue. Die Beziehungen zu „seinen“ Künstlern beschreibt Adler als „eheähnliche Verhältnisse“, und seine Frau Jutta nickt bestätigend: Fünf Dekaden, bis zu seinem Tod, ließ sich Yehudi Menuhin von Adler vertreten, die Karriere der jungen Anne-Sophie Mutter wurde von Berlin aus aufgebaut und auch Daniel Barenboim nimmt seit langem die Dienste der Konzertdirektion in Anspruch.

Dass bei den Adlers immer jemand zu Hause war – die Privaträume der Familie befinden sich direkt über dem Büro – kam nicht nur den vertretenen Künstlern zugute, sondern im vergangenen Jahr auch allen Ticketkäufern eines Gastspiels der Münchner Philharmoniker: Als im Mai das Dach der Philharmonie brannte und der Auftritt unter Leitung von Christian Thielemann kurzfristig in den Admiralspalast verlegt werden musste, verständigte das Adler-Team alle Kartenkäufer noch am selben Abend persönlich per Telefon.

Solche Ausflüge in den Osten der Stadt werden von der Stammklientel allerdings nur in Notfällen akzeptiert: Wer bei Adler bucht, möchte in der Philharmonie oder im Kammermusiksaal sitzen, auch da zeigt sich deutlich die Verwurzelung der Firma im alten Westen.

Als Urgestein des bundesdeutschen Konzertwesens wurde Witiko Adler am Donnerstag beim „Live Entertainment Award“ der nationalen Veranstalterwirtschaft in Hamburg für sein Lebenswerk geehrt. Frederik Hanssen

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