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Kultur: Wo Belmondo lebt

Neue Welle aus dem Osten: Das Berliner „Far–East-Festival“ zeigt Filme aus Asien

Takeshi Kitano hat ein unvergessliches Gesicht: breit, unbewegt, nur ein Zucken im Augenwinkel, Überbleibsel eines schweren Unfalls, gibt ihm nervöse Bewegung. Ein Samurai, ein einsamer Krieger, nicht erst in seinem letzten Film „Zatoichi“, wo er als blinder, blond gefärbter Kämpe ganze Horden von Angreifern auflaufen lässt. Oder Andy Lau, der schöne, eiskalte Killer aus Johnny Tos Gangsterfilmen: ein Alain Delon, ein Belmondo aus Hongkongs Unterwelt, selbst totgeweiht, und deshalb ganz besonders tödlich. Leslie Cheung, der Dritte im Bunde, Popstar und Hauptdarsteller aus „Days of Being Wild“ und „Happy Together“, nahm sich 2003 das Leben. Er hat seine verzweifelten Rollen zu Ende gespielt.

Es waren diese kalten, rätselhaften Gangsterballaden, die Yakuza- und Mafiafilme eines Takeshi Kitano, Takashi Miike, Johnny To oder Wong Kar-wei, mit denen Japan und Hongkong in den Neunzigerjahren die Filmfestivals von Berlin bis Cannes eroberten – und die in Filmen wie „Ghost Dog“ oder „Kill Bill“ ihr amerikanisches Echo fanden. Und es waren hektische, bunte Großstadtfilme wie Wong Kar-weis „Chunking Express“, mit denen sich ein Generation von Regisseuren präsentierte, die international als Asiens „Nouvelle Vague“ gefeiert wurde.

Man muss kein Spezialist sein, um zu sehen, dass das spannende Kino seit einigen Jahren weniger aus dem Westen als aus dem Osten kommt. Seit Jahren sind Asienfilme aus der Nische von Nebenreihen in den Hauptwettbewerb der Festivals von Berlin, Cannes und Venedig vorgerückt, laufen Filme von Kitano, Wong Kar-wei, Ang Lee oder Kim Ki-Duk nicht mehr nur auf Festivals, sondern regulär und erfolgreich in den deutschen Kinos. Theaterregisseure wie Michael Thalheimer orientieren sich an Wong Kar-weis „In the Mood for Love“, Mangas haben Konjunktur: die Mischung aus Coolness, Stilisierung und Gefühl scheint für westliche Augen besonders verführerisch.

Mit einem Far-East-Festival stellt das Berliner Kino Filmkunst 66 bis 18. August nun Klassiker, Geheimtipps, Festivallieblinge und Entdeckungen vor: 44 Filme aus elf Ländern, aus Kinohochburgen wie Japan, Hongkong und China, aber auch cineastischen Randnationen wie Vietnam, Thailand, Pakistan und Nepal. Das Programm ist bunt gemischt: Natürlich darf „In the Mood for Love“ nicht fehlen, Wong Kar-weis Meisterwerk aus dem Jahr 2000. Aber es ist auch „As Tears Go By“ dabei, sein Kinodebüt von 1988. Oder Kitano: „Zatoichi“, sein in düster-sumpfigen Farben gehaltener Spät-Samurai-Film läuft noch regulär im Kino. Mit „Dolls“ und „Hana-Bi“ sind zwei farbenfrohe Vorgänger zu sehen, dazu das Kinodebüt „Violent Cop“ von 1989.

China zeigt sich von der historischen Seite, mit einer Auswahl von MartialArts-Filmen. Auch dieses Genre wurde in den letzten Jahren erneut populär: Ang Lees federleichte Kampf-Phantasie „Tiger und Dragon“ lässt sich mit Zhang Yimous virtuoser, aber ungleich nationalistischer Ursprungs-Saga „Hero“ vergleichen. Zhu Wens schönes Roadmovie „South of the Clouds“ über einen Rentner, der sich einen Jugendtraum erfüllt, setzt dazu den realistischen Kontrapunkt.

Auch (Süd-)Korea präsentiert sich als Kinoland: Filmfreak Quentin Tarantino hat unlängst erklärt, Korea sei für ihn, nach Hongkong in den Neunzigern, die große Kinoentdeckung der letzten Zeit. Eine der Hauptfiguren ist hier Kim Ki-Duk, der mit seiner verstörenden Gewalt- und Liebesfantasie „Die Insel“ (2000) das Festival von Cannes erschütterte. Als Gegenbild hat Stadler den heiteren Episodenfilm „Frühling, Sommer, Herbst und Winter“ im Programm, leider noch nicht „Samaria“, Kim Ki-Duks finstere Vater-Tochter-Erlösungsgeschichte, die auf der Berlinale lief. Eine Neuentdeckung ist Pak-Chan Wook mit „Joint Security Area“, einem eindrucksvollen Film über die Absurdität der Grenze zwischen Nord- und Südkorea. Sein in Cannes gefeierter Rache-Film „Old Boy“, ab September in den Kinos, ist im Rahmen des Festivals vorab zu sehen.

Auf an den Rand schließlich: Asien, wie Stadler es sieht, beschränkt sich nicht auf die ostasiatischen Länder: Auch Indien, Pakistan, Thailand gehören dazu. Mit „Lagaan“ und „Monsoon Wedding“ sind zwei erfolgreiche Indien-Spektakel im Programm. „Silent Waters“ aus Pakistan liefert das Gegenbild: Der 2003 in Locarno ausgezeichnete Film erzählt davon, wie der Konflikt zwischen Muslims und Sikhs ein Dorf spaltet. Der Film spielt 1979. Die Mischung aus Fanatismus und Nationalismus jedoch ist von heute.

Filmkunst 66, bis 18. August. Informationen unter www.filmkunst66.de

Christina Tilmann

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