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Kultur: Wo Ketschup noch Ketschup ist

Genussvolles Gruseln bis zum 18. August im Royal-Palast und im Filmtheater am FriedrichshainFrank Noack Ein merkwürdiges Schicksal verbindet all diese Filme.

Genussvolles Gruseln bis zum 18. August im Royal-Palast und im Filmtheater am FriedrichshainFrank Noack

Ein merkwürdiges Schicksal verbindet all diese Filme. Sie sind publikumswirksam, teilweise richtig aufregend, und doch finden sie nur schwer einen Platz im Kino. Das hat mit Vorurteilen gegen das Genre zu tun: Fantasy- und Horrorfilme sind vielen Zuschauern nicht seriös genug. Um ins Kino zu kommen, muss ein entsprechender Film Stars vorweisen oder auf einem aktuellen Bestseller basieren. Ist das nicht der Fall, landet er gleich auf dem Videomarkt.

Die Existenz von Fantasy- und Horrorfilmen war noch nie bedroht und wird es wohl auch nie sein; zu zeitlos sind Angstphantasien, zu stark das Bedürfnis von Künstlern, diese Phantasien in Bilder umzusetzen. Aber es genügt nicht, dass ein Film existiert, er muss auch in einem angemessenen Rahmen gewürdigt werden. Das 13. Fantasy-Filmfest bietet solch einen Rahmen. Die Festivalleiter Rainer Stefan und Schorsch Müller haben einige Europa- und sogar Weltpremieren zu bieten. Im Programm befinden sich perfekt durchgestylte A-Filme, aber auch unsäglicher Trash, wo "Plastik noch Plastik und Ketschup noch Ketschup ist" (Begleitheft).

Sogar Anhänger von "Daily Soaps" haben einen Grund, das Festival aufzusuchen, denn in dem bayerischen Horrorfilm "Holgi" spielt das Backfisch-Idol Marco Girnth ("Unter uns", "Die Strandclique") eine Hauptrolle. Wer schon immer von einer radikalen Version der Ingrid Noll-Geschichten geträumt hat, sollte auf keinen Fall "Kunoichi, the Lady Ninja" verpassen, bei dessen Protagonistinnen Todesstrahlen aus der Brustwarze und dem Intimbereich hervorschießen. Dann gibt es noch Nachhilfeunterricht in Film- und Fernsehgeschichte: David Cronenberg ist eine Hommage gewidmet, und es werden acht Folgen der Kultserie "Twilight Zone" von Rod Serling gezeigt.

Ausgerechnet bei dem Eröffnungsfilm "Stir of Echoes" handelt es sich nur um gute Routine. David Koepp, der Drehbuchautor von "Jurassic Park", führte hier zum ersten Mal Regie. "Stir of Echoes" handelt von einer Familie, die in ihrem neuen Haus mit Geistern aus der Vergangenheit konfrontiert wird. Der Vater dreht durch, die Mutter versucht Ruhe zu bewahren, und der kluge kleine Sohn scheint übersinnliche Kräfte zu besitzen. Es fällt schwer, hierbei nicht an "The Shining" zu denken, doch David Koepp kommt weder an Stephen Kings Roman noch an Stanley Kubricks Verfilmung heran.

Dafür kann das Festival mit einem unerwarteten Meisterwerk aufwarten. Russell Mulcahys Film kann sein wenig origineller Titel "Resurrection" ebenso verziehen werden wie der Umstand, dass sich seine Geschichte hart an der Plagiatsgrenze zu "Seven" orientiert. Ein Serienmörder geht um, der jeweils an einem Freitag 33jährige Männer tötet, die einen Namen aus der Bibel tragen. Die ersten Opfer heißen Peter, Matthew und James. Da jedem Opfer ein anderer Körperteil fehlt, kann man annehmen, dass der religiöse Fanatiker einen neuen Menschen zusammenflicken will. Nicht vorauszusehen ist die beängstigende Stimmung, die der Film erzeugt. Zunächst gibt es noch ein wenig schwarzen Humor. Die Opfer sind zwar qualvoll verblutet, aber das sehen wir nicht. Dann ist Schluss mit Lustig. "Resurrection" ist nicht nur ein aufregender Film, sondern tut auch weh. Russell Mulcahy ("Highlander"), bisher ein seelenloser Perfektionist, beweist hier ungeahnte emotionale Reife. Den Ermittler spielt Christopher Lambert, der hier seine Reifeprüfung besteht. .

Die New Yorker Fotografin Cindy Sherman schildert in ihrer Horrorkomödie "Office Killer" den Alltag in einer Zeitungsredaktion und die Rache, die eine dort angestellte graue Maus an ihren Mitarbeitern übt. Schade, dass Barbara Sukowa als kettenrauchende Chefredakteurin Virginia zu den ersten Opfern gehört, denn sie hat schon lange keine so dankbare Rolle mehr.

In Hideo Nakatas "The Ring" sind Kinder die bevorzugten Opfer. Mehrere Jugendliche sterben nach dem Anblick eines geheimnisvollen Videos an Herzstillstand. Eine TV-Journalistin versucht das Rätsel zu lösen. Sie gerät aus zwei Gründen in Panik: ihr kleiner Sohn hat sich das Video angesehen, von dem der tödliche Fluch ausgeht, und auch sie selbst bekommt es zu sehen. "The Ring" ist ein Musterbeispiel für subtilen Horror, der ganz ohne technischen Aufwand auskommt.

Mehrere Filme, die in den nächsten Wochen bei uns starten, können hier schon mal besichtigt werden, darunter "The Blair Witch Project", "Bride of Chucky" und "The Negotiator". Darüber, dass Gaspar Noés "Seul sontre tous" ins Programm aufgenommen wurde, kann man geteilter Ansicht sein. Der Amoklauf eines älteren, arbeitslosen Metzgers, der voller Hass ist auf Reiche, Frauen und Ausländer, ließe sich eher als soziologisch-psychologische Studie beschreiben. Andererseits hinterläßt eine Reise ins Herz der Finsternis, wie Noé sie inszeniert, dieselbe Wirkung wie ein Horrorfilm. Man braucht nicht immer Fantasiegeschöpfe, um das Publikum in Angst zu versetzen.Fantasy-Filmfest: Bis 18. August im Royal Palast und im Filmtheater am Friedrichshain.

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