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Kultur: Wo Lesen Romane verhindert

Als Daniel Kehlmann kürzlich den Literaturpreis der Konrad-Adenauer-Stiftung erhielt, hat er eine spannende Rechnung aufgemacht: Der „Vorlesezirkus“, diese „Kreuzung zwischen romantischem Geniekult und wilhelminischer Schulstunde“, sei vor allem eine Literatur-Verhinderungsinstitution. Rechnet man mit einer „produktiven Lebensspanne von fünfzig Jahren“, so Kehlmann, kann das Herumreisen zwischen Flensburg, Paderborn und Karlsruhe „einen deutschen Literaten etwa drei Romane mittleren Umfangs kosten“.

Als Daniel Kehlmann kürzlich den Literaturpreis der Konrad-Adenauer-Stiftung erhielt, hat er eine spannende Rechnung aufgemacht: Der „Vorlesezirkus“, diese „Kreuzung zwischen romantischem Geniekult und wilhelminischer Schulstunde“, sei vor allem eine Literatur-Verhinderungsinstitution. Rechnet man mit einer „produktiven Lebensspanne von fünfzig Jahren“, so Kehlmann, kann das Herumreisen zwischen Flensburg, Paderborn und Karlsruhe „einen deutschen Literaten etwa drei Romane mittleren Umfangs kosten“. Schriftsteller sind wirklich zu bedauern (auch wenn man manchen Autoren für drei Romane weniger dankbar wäre). Bedenkt man, wie viel Zeit zudem beim Schreiben von Stipendienanträgen und Literaturpreisdankesreden verloren geht! Kaum zu glauben, dass überhaupt noch Bücher erscheinen.

In dieser Woche nehmen sich die Schriftsteller Kehlmanns Wort offenbar zu Herzen. Sie brüten am Schreibtisch – wenn sie nicht vor Fernsehern und Großbildleinwänden sitzen, was ziemlich wahrscheinlich ist. Der Lesebetrieb jedenfalls ruht. Da ist es am klügsten, sich den Verhältnissen mit Fußball-Lesungen anzuschmiegen. Zum Beispiel am 7.7. (20 Uhr) im Garten des Jüdischen Museums (Lindenstr.9-14, Kreuzberg). Hier stellt Bernd-M. Beyer seinen biografischen Roman über Walther Bensemann vor, den „Mann, der den Fußball nach Deutschland brachte“ (Die Werkstatt). Der fast vergessene jüdische Bankierssohn Bensemann hob in München, Frankfurt und Karlsruhe Vorläufer von heute höchst renommierten Vereinen aus der Taufe, auch bei der Gründung des DFB war er dabei. Schon 1899 organisierte er so genannte „Ur-Länderspiele“ (etwa England – Deutschland 13:2), 1920 gründete er den „Kicker“. 1933 emigrierte er nach Montreux in die Schweiz, wo er im Jahr darauf starb. Bensemann, war ein Liberaler, der den Fußball als eine Form der Völkerverständigung begriff.

Eine traditionsreiche Schriftstellervereinigung, die sich dasselbe Ziel auf die Fahnen geschrieben hat, ist der internationale P.E.N. Weil dessen deutsche Sektion nach der Machtübernahme der Nazis mit Völkerverständigung nichts mehr zu tun hatte, gründeten Autoren wie Heinrich Mann und Lion Feuchtwanger 1934 den Exil- P.E.N. , der bis heute als „P.E.N.-Zentrum deutschsprachiger Autoren im Ausland“ existiert. Sein Präsident Günter Kunert sowie Lutz Rathenow, Peter Finkelgruen und Gabrielle Alioth diskutieren am 6.7. (20 Uhr) im Brecht-Haus (Chausseestr.125, Mitte) „Offene Fragen“. So heißt ein Band aus dem Synchron Verlag, den Chaim Noll zum 70-jährigen Bestehen der Vereinigung zusammengestellt hat.

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