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Kultur: Wo Museumswände tanzen

Die polnische Künstlerin Monika Sosnowska jettet durch die Welt. Nun ist sie im Künstlerhaus Bethanien zu Gast

Bei Monika Sosnowska weiß man nie genau, woran man ist: bei ihren Skulpturen nicht, die ebenso gut als Installationen wie Malerei durchgehen könnten. Aber auch bei ihr selber nicht: Wie gelingt es der zierlichen Polin nur, fragt man sich, in mehreren internationalen Ausstellungshäusern gleichzeitig präsent zu sein, mit Arbeiten, die eigens für den Ort geschaffen wurden? Diese Frage lässt sich schon leichter beantworten: Die Zweiunddreißgjährige ist extrem gut organisiert, permanent auf Reisen und verfügt vor Ort jedes Mal über einen ganzen Stab Helfer, der ihre technischen Zeichnungen ins Dreidimensionale übersetzt.

Mit etwas Glück war sie diese Woche im Künstlerhaus Bethanien anzutreffen, wo sie seit Anfang des Jahres ihr Quartier aufgeschlagen hat. Monika Sosnowska ist die erste Osteuropa-Stipendiatin der Schering-Stiftung, die für zwölf Monate ein Atelier in dem riesigen Backsteinkomplex am Kreuzberger Mariannenplatz beziehen durfte. Pech nur, dass ausgerechnet in diesem Jahr eine Ausstellungseinladung nach der anderen hereinflatterte und der polnische Jungstar das Nein-Sagen erst noch lernen muss. So ging es hin und her zwischen Mexiko-City und London, Basel und Amsterdam, Glasgow und Antwerpen.

Nun aber kann man sich auch hier ein Bild von ihrem Schaffen machen, das sich rund um den Globus solcher Beliebtheit erfreut. Zum Abschluss ihres Berlin-Aufenthalts hat sie eine echte „Sosnowska“ für das Studio 3 des Künstlerhauses bauen lassen: ein Gebilde, das zwischen Skulptur, Malerei und Installation angesiedelt ist und die räumlichen Verhältnisse zum Tanzen bringt. Zwischen zwei gusseisernen Säulen im Zentrum des Raumes schiebt sich eine eckige, bräunlich bemalte Architektur dem Besucher entgegen. Man kann sie begehen und umwandern; von hinten wirkt sie nur noch wie der Wurmfortsatz eines ursprünglich gewaltigen Auftritts. Das ist typisch für die polnische Bildhauerin, die letztes Jahr auf der Biennale in Venedig für Furore mit ihrem Endlos-Korridor sorgte, der den Eintretenden erst wie einen Riesen, dann wie einen Zwerg erscheinen ließ. Bereits im Vorjahr hatte sie in Frankfurt auf der Manifesta mit ihrem kafkaesken Von-Tür-zu-Tür-Labyrinth für Aufmerksamkeit gesorgt; auf der Art Basel erhielt sie für ihre räumlichen Verwirrspiele den renommierten „Baloise-Kunstpreis“.

Spätestens danach hätte die Vielgefragte abheben können. Doch die junge Polin besitzt Bodenhaftung. Ausgebildet an der Kunsthochschule Posen in klassischer Malerei, holte sie sich den letzten Schliff als post graduate an derAmsterdamer Rijksakademie und kehrte danach doch bewusst in ihr Heimatland zurück. Bald gehörte sie zu den Zugpferden der legendären Warschauer Foksal-Galerie, die das polnische Kunstwunder in den letzten Jahren mitbetrieben hat. Hier befindet sich auch die Basis von Monika Sosnowskas Schaffen, denn in Polen wird Kunst noch als etwas Existenzielles begriffen. „Entweder man macht es oder man muss aufhören,“ sagt die Künstlerin mit Bestimmtheit. Aus ihrem Akademie-Jahrgang ist sie heute die Einzige, die weiterarbeitet – allen Widerständen zum Trotz, denn in Polen gibt es weder einen Kunstmarkt noch wirklich Kunstfreiheit. An diesem Punkt blitzt bei aller Diszipliniertheit plötzlich ihr widerständiges Temperament und das immense Durchsetzungsvermögen auf. „Wir erleben gegenwärtig eine Zensur: Ausstellungen werden geschlossen, Künstler gerichtlich verfolgt, Kunstwerke zerstört,“ erzählt sie. „Für junge Künstler ist das eine schockierende Erfahrung, wenn man glaubt, in einem demokratischen Land zu leben.“

Eigentlich hätte das Jahr in Berlin vorübergehend Entspannung bringen können. Monika Sosnowska bedauert es selbst, dass ihr die Zeit dazu fehlte. Lachend gesteht sie ein, dass ihr schmales Atelier eher einer Mönchsklause ähnelt – an den Wänden bereits die Pläne für das nächste Projekt, die Gestaltung einer Bar im Keller der Basler Kunsthalle, auf dem Schreibtisch das Modell für ihre Solo-Show in der Londoner Serpentine-Gallery. Daneben liegt der gewaltige Phaidon-Atlas für Weltarchitektur, den sie in ihrer Lieblingsbuchhandlung am Savignyplatz erworben hat. Hier wird sie womöglich entdecken, was sie sich mit ihren fantastischen Raumskulpturen bereits selber ausgedacht hat. Mit Baukunst kennt sie sich nicht aus, sagt sie mit einer gewissen Koketterie. Dafür arbeitet sie zunehmend mit Architekten zusammen, die ihre Einfälle realisieren helfen. Und trotzdem versteht sich Monika Sosnowska immer noch als Malerin, denn die im Kunstraum errichteten Wände bleiben Bildgrund bis zuletzt.

Künstlerhaus Bethanien, Mariannenplatz 2, bis 21. November; Mi.– So. 14–19 Uhr.

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