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Kultur: Wo nicht nur der Jackpot lockt

Die in vergangenen Jahren beklagte Kurkrise gibt es nicht.Zumindest nicht in den sächsischen Orten Bad Elster und Bad BrambachVON EDDA DÖRR-WESSELSWie lockt man Leute in blühende Bäder?

Die in vergangenen Jahren beklagte Kurkrise gibt es nicht.Zumindest nicht in den sächsischen Orten Bad Elster und Bad BrambachVON EDDA DÖRR-WESSELS

Wie lockt man Leute in blühende Bäder? Blühend - das heißt natürlich, daß Kurparks mit Rabatten zum Promenieren ermuntern, daß die Blumenfülle in Anlagen Freude macht, und daß Gasthäuser und Pensionen sich mit Geranien und Petunien geschmückt haben zum Empfang der Gäste.Blühen heißt aber auch florieren.Und während die meisten unserer Heilbäder unter den wiederholten finanziellen Deckelungen jammern und kränkeln, lassen sich andere um so mehr einfallen.Im südlichsten sächsischen Zipfel zum Beispiel Bad Elster und Bad Brambach.

Die beiden Staatsbäder locken mit knapp kalkulierten Pauschalkuren, nicht als Mogelpackung im Winter, sondern in der Saison von Anfang April bis Ende Oktober.Sie bieten die drei Wochen mit Logis und Halbpension, mit ärztlichen Untersuchungen und Kurmitteln samt Kurtaxe.Keine Rede von Etagenbad, keine Rede von Einzelzimmerzuschlag - oh nein.Das ländliche Bad Brambach zum Beispiel, wo diese Kuren ab 1500 Mark zu haben sind, konnte gar nicht alle Interessenten aufnehmen, weil die Bedingungen fürs Zimmer mit Bad oder Dusche samt Toilette und fürs leibliche Wohl ja stimmen mußten.In Bad Elster staffeln sich die Angebote je nach Unterkunft in fünf Kategorien von 1700 bis 2245 Mark.

Es ist übrigens eine Freude und Überraschung, die Häuser, Hotels und Pensionen nach sechs Jahren wiederzusehen.Nichts mehr vom bröckelnden grauen Einheitsputz der Fassaden, nichts mehr von Löchern und Rissen der Straßen und Bürgersteige.Statt nach der seinerzeit alles durchdringenden Braunkohleheizung riecht es nun nach Kaffee, Rostbrätl und frisch geschnittenen Buchsbaumbordüren.Dem Kurdirektor Wilfried Demuth, Import aus Bad Neuenahr, ist es gelungen, fast alle Anbieter in ein Boot zu ziehen.Denn sie haben dieselben Anliegen: nach den staatlichen und privaten Investitionen den Banken ihr Geld zu bezahlen, ihr Personal weiterzubeschäftigen und überhaupt den Bäderbetrieb in Gang zu halten.Begleitet wird die Entwicklung schon seit 1990 von den Städtepartnern des schwäbischen Moorbads Waldsee, die Bürgermeister Christoph Flämig Freunde nennt.

Ein Demuthscher Einfall der besonderen Art ist die Zusammenarbeit mit Lotto-Annahmestellen.Am Fenster lockt nicht nur der Jackpot, sondern auch das Angebot der beiden sächsischen Staatsbäder.Drinnen kann man seinen Lottoschein ausfüllen und sich über die Kuren kundig machen.Man kann sogar gleich buchen.Ob das Schule macht? In 200 ausgewählten Annahmestellen Sachsens ist der Versuch jedenfalls angelaufen.

Im kommenden Mai soll übrigens alles fertig sein, woran jetzt noch restauriert, gebaut und umgebaut wird - für insgesamt 250 sächsische Millionen.Wenn Ministerpräsident Kurt Biedenkopf jetzt im Oktober die Gäste des Deutschen Bädertags in Bad Elster begrüßt, kann er mit Stolz eine Menge vorzeigen.Zum Beispiel den Schauplatz des festlichen Auftakts, das Kurhaus.Über Gartenanlagen präsentiert sich das Neo-Renaissancegebäude seit über hundert Jahren mit hellen Sandsteinbögen und Arkaden im freundlichen Kontrast zum Ziegelstein.Im Innern ist alles neu, alles hell, festlich und elegant, von den Natursteinplatten über dezent bemalte Wände zu geschmackssicher ausgewählten Möbeln.Hier kann man feiern und tagen, essen und trinken; Seminare und Beschäftigungstherapie finden ihre Räume, und die Stillen im Lande werden die Atmosphäre des schönen Lesesaal genießen.

Das kleine Theater, 1914 vom letzten sächsischen König Friedrich August III.eröffnet, hat ein neues Dach bekommen, und seine Fassade mit den stämmigen Säulen wird frisch verputzt und gestrichen.Auf den alten Sesseln werden es die Besucher hingegen noch eine Weile aushalten müssen.Der Sachsenhof nebenan, stilistisch dem Theater angenähert, ist nun eine der sieben Kurkliniken in Bad Elster.

Das Albert-Bad ist ein Prachtstück, ein Bade- und Kurmittelhaus mit 150jähriger Geschichte, vor allem aber ein Jugendstilensemble, das Besucher und Kurgäste begeistern kann: Gleich eingangs die blumengeschmückten Fabeltiere an der Treppe, die bekrönte Uhr auf dem roten Ziegeldach, die geschliffenen Scheiben der Türen, in denen es regenbogenbunt funkelt.Stuck- und Freskokuppeln überwölben Foyers, Wände und Säulen sind mit tiefblauen und türkisglänzenden Kacheln verkleidet.Durch bunte Bildfenster scheint die Sonne in die Badestuben, blinkt auf Bottiche, Kupferwannen und Armaturen.So war es, und so wird es wieder - noch ist manches im Bau, während der Kurbetrieb weitergeht.Im Innenhof ist eine Badelandschaft im Entstehen, mehrere Innenbassins unterm Glasdach und zwei Außenbecken.In einem Seitentrakt finden sich veritable Badesuiten, großzügig bemessen, schön gekachelt und geziert - in die will man zum Beispiel Privatgäste der Marke Wellness verführen.Das Ambiente könnte zum orientalischen Rasul-Zeremoniell passen, in dem man sich oder einander mit naturbunten Schlämmen bestreicht und sie in zunehmender, duftender Wärme trocknen läßt - bis ein plötzlicher Duscheguß die Kruste wegspült.Und mit ihr den Alltag und all die Unzulänglichkeiten des Körpers, versteht sich.

Luxus als Zukunftsmusik und als Beispiel der Vergänglichkeit: Auffallendes Stiefkind der Entwicklung in Bad Elster ist der massige, eingestaubte Wettiner Hof, der um die Jahrhundertwende als "das Vollkommenste eines Kur-Hotels" gepriesen wurde.Zwar ist der Bau privat verkauft, doch für die derzeitige Lage auf dem Gesundheitssektor wohl einige Nummern zu aufwendig.

Es kann Investoren und Betreiber abschrecken, daß im Radon-Bad Brambach eine Kurklinik leersteht, seit sie mit Millionenaufwand aufs beste renoviert wurde.So hat man dort das gleichfalls verwaiste Curie-Haus gar nicht erst in Angriff genommen.Die eine neue "Klinik Bad Brambach" für Orthopädie, Rheuma und Herz-Kreislauf aber läuft.Für das langgestreckte Vogtlandhaus mit den gesprosselten Fenstern erhofft man sich eine Zukunft als Hotel, zumal in unmittelbarer Nachbarschaft ein neues Kurmittelzentrum mit Schwimmbecken im Bau ist.Die Festhalle, die sich so hübsch im Schwanenteich des Kurparks spiegelt, ist auf Hochglanz gebracht - nicht nur für den Deutschen Bädertag, der auch in Bad Brambach tagt.

Für die Spaziergänger im Kurpark ist es ein Katzensprung zur tschechischen Grenze.Die nahen böhmischen Bäder Marienbad, Karlsbad und Franzensbad gehören zu den beliebten Ausflügen.Aber auch die vogtländische Umgebung hat einiges zu bieten außer der welligen, waldigen Wanderlandschaft.Man könnte sich das Städtchen Plauen ansehen und die Sammlung heimischer Spitzen im historischen Rathaus.Das Freilichtmuseum Landwüst dokumentiert bäuerliches Leben.

Eine lange Tradition hat das Vogtland als Musikantenland, noch und wieder fertigen rund 150 Betriebe Blas- und Streichinstrumente.Rund 40 000 Besucher finden im Jahr den Weg zum Paulus-Schlössel in Markneukirchen.In diesem klingenden Museums sind gut tausend Musikinstrumente aus den reichen Beständen ausgestellt, frühe Gamben, kunstvoll verzierte Geigen, Gitarren mit zwei und drei Hälsen, eine Okarina aus Meißner Porzellan.In Vitrinen eine Sammlung von Miniaturen.Bei den mechanischen Instrumenten erinnern Jahrmarktsklänge und Liedchen vom Lochband an Kindertage und Großmutterzeiten.Aber auch exotische Töne werden zum Leben erweckt, etwa aus einem australischen Blasrohr, von der afrikanischen Trommel oder von einem fernöstlichen Gong, der das Haus vibrieren läßt.

Aber die Musik ist durchaus nicht aufs Museum beschränkt.Es gibt Blasorchester und Trachtengruppen, ein Arnoldsgrüner Wirt singt, ein Breitenfelder bläst das Alphorn, Feste der Volksmusik stehen auf dem Programm oder die Konzerte des Chursächsischen Sommers.Zu diesem Kapitel gehört die erstaunliche Geschichte der Elsteraner Kurkapelle, die schon 1817 gegründet wurde, sich zu einem Orchester von dreißig klingenden Stimmen entwickelte - und nach der Wende beinahe auf der Strecke geblieben wäre.Aber ein Trägerverein, die Staatsbäder und auch eigene Gastspiele und Tourneen haben die "Chursächsische Philharmonie" am Leben erhalten.Das ist doch eine der schönsten Beigaben zu Moorbad und Sprudelwasser.

TIPS FÜR BAD ELSTER

Anreise: Bei weiterer Anfahrt ist die Bahn umständlich, mehrfaches Umsteigen ist notwendig.Bad Elster ist Haltepunkt.Autobahn bis Ausfahrt Plauen-Süd, dann B 92 über Oelsnitz und Adorf.Pendelbusse von Haus zu Haus von Berlin aus donnerstags (97 Mark pro Person und Fahrt).

Heilanzeigen: In Bad Elster Bewegungsapparat, Herz-Kreislauf, Frauenleiden, Nieren und Harnwege.Haltungs- und Bewegungsschwächen bei Kindern und Jugendlichen (Skoliose), Mutter- und Kind-Kuren, Erholungsheim der Deutschen Bahn.Trink- und Badekuren, Moorbehandlung, Naturheilverfahren. In Bad Brambach Bewegungspparat, Herz-Kreislauf, Hautkrankheiten (Lederhaut).Radonhaltige Mineralquellen, Fango- und Moorpackungen.

Pauschalkuren: Drei Wochen in der Saison (1.April bis 31.Oktober) mit Übernachtungen und Halbpension, mit ärztlichen Untersuchungen, Kurmitteln und Kurtaxe.Je nach Unterkunft in Bad Brambach 1500 oder 1700 Mark, in Bad Elster fünf Kategorien von 1700 bis 2245 Mark.

Auskunft: Kurverwaltung, Postfach 50, 08641 Bad Elster; Telefon: 03 74 37 / 714 61, Fax: 03 74 37 / 712 60.

Kurverwaltung Badstraße 49, 08648 Bad Brambach; Telefon: 03 74 38 / 882 60, Telefax: 03 74 38 / 882 07.

EDDA DÖRR-WESSELS

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