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Kultur: Wo sind Schadows Entwürfe?

Berlins Akademie der Künste fahndet nach ihren Kriegsverlusten

Auf dem Marktplatz in Wittenberg steht seit 1821 ein Lutherdenkmal von Johann Gottfried Schadow. Der Bildhauer hatte alle Bildquellen für sein Porträt des Reformators studiert. Seine Entwürfe verblieben in der von Schadow geleiteten Königlichen Akademie der Künste in Berlin, ebenso wie Vorschläge für ein Friedrich-Denkmal Unter den Linden, das schließlich von Christian Daniel Rauch und anderen Bildhauern modelliert und 1851 aufgestellt wurde.

Schadows Denkmalsentwürfe gehören zu den Kriegverlusten der Akademie der Künste. Unter den seit 1945 vermissten Zeichnungen, Aquarellen und Druckgrafiken sind viele mit Rang und n: Rode und Chodowiecki, Jakob Asmus Carstens, Schadow und Blechen, Menzel, Krüger und Anton von Werner. Die Suche ist schwierig: Die Vorkriegsinventare sind nicht mehr vorhanden, die Verzeichnisse der ausgelagerten Arbeiten sind ungenau und müssen mühsam mit Katalogen und Werkverzeichnissen abgeglichen werden. So weiß man beispielsweise, was vom Oeuvre des Berliner Malers Carl Blechen als verloren gelten muss. Ein 1940 von Paul Ortwin Rave angelegtes Verzeichnis erwähnt 30 Ölskizzen und Zeichnungen italienischer Landschaften. Bei Schadows Zeichnungen fehlen viele Angaben, was deshalb fatal ist, weil gerade ein Gesamtkatalog der circa 3000 Blätter des Meisters entsteht.

Die Bestände der Akademie wurden im Zweiten Weltkrieg in alle Winde verstreut. 1942/43 wurden Handzeichnungen, Aquarelle und Druckgraphiken, aber auch Gemälde und Plastiken der „ersten Kategorie“ in den Tresoren der Neuen Münze am Berliner Molkenmarkt deponiert. Dort waren auch Preziosen der Staatlichen Museen und privater Kunstbesitz eingelagert. Als man Ende November ’45 die Räume endlich betreten durfte, fanden sich nur noch Reste. Der größte Teil der nach Russland mitgenommenen Kunst kam 1958 mit dem Eigentum der Staatlichen Museen wieder an die Akademie – nun Berlin-Ost – zurück, doch fehlten etwa ein frühes Selbstporträt von Adolph Menzel, Zeichnungen von Terwesten und die Konvolute mit den Denkmalsentwürfen.

Eine Liste von 1951 nennt einen anderen Auslagerungsort: den Flakturm am Zoo, indem auch die Reliefs des Pergamonaltars eingelagert waren. In den Papieren werden „Pakete mit Handzeichnungen“ genannt: Diese Werke, darunter Zeichnungen von Bernhard Rode und Daniel Chodowiecki, aber auch Menzels Illustrationen zur „Armee Friedrichs des Großen“, tauchten nie wieder auf.

Der größte Grafik- und Bibliotheksteil der Sammlung wurde jedoch 1943 in drei schlesische Schlösser evakuiert, verpackt in 119 Kisten. „Wir wissen nicht, ob der Akademie-Besitz von der Roten Armee bei der Besetzung Schlesiens 1945 als Beutegut mitgenommen oder von polnischen Behörden beschlagnahmt wurde. Wir gehen aber davon aus, dass er noch existiert.“, sagt Gudrun Schmidt, Leiterin der zum Archiv der Akademie der Künste gehörenden Sammlung. Während seit 1977 bekannt ist, dass die in schlesischen Klöstern eingelagerten Bestände der Staatsbibliothek in die Krakauer Jagiellonenbibliothek gelangten, tappt die Akademie hinsichtlich des Verbleibs ihrer Bestände im Dunkeln. Mit einer Information, was von den vermissten Stücken überhaupt noch erhalten ist, wäre „als Erstes“ geholfen. Dann könnte man weiter recherchieren und in Verhandlungen treten. Helmut Caspar

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