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Kultur: Wo Venus den Adonis herzt

KUNST

Erotische Malerei zu genießen, war einst Vorrecht der Könige und Kardinäle. In Geheimkabinetten räkelten sich Nymphen und Göttinnen in den verführerischsten Posen. Der römische Kardinal Bernardo da Bibbiena ließ sich in seinen Privaträumen im Vatikan von Raffael ein Badezimmer ausmalen – mit Szenen aus dem Venusleben, die an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig ließen. Um 1553 arbeitete auch Tizian an einem Gemäldezyklus für ein Privatkabinett des spanischen Königs Philipp II. und schrieb an seinen Auftraggeber: „Weil man die Danae, die ich schon an Eure Majestät geschickt habe, ganz von vorn sah, habe ich in dieser neuen poesia variieren wollen und die entgegengesetzte Körperseite gezeigt.“ Dieses Bild, eine der berühmtesten Rückenansichten der Kunstgeschichte, steht im Zentrum der Ausstellung „Amors Pfeil. Tizian und die Erotik in der Kunst“ . Das Herzog-Anton-Ulrich-Museum in Braunschweig , regelmäßiger Leihgeber des Metropolitan Museum New York, fährt nun die Früchte seiner Freigebigkeit ein und präsentiert als Leihgabe aus New York Tizians prachtvolles Götterbild „Venus und Adonis“ (bis 9. 11., Katalog 9,80 €). Venus, eine üppige Blondine, umschlingt den fortstrebenden Geliebten flehend mit den Armen, während Amor, das böse Ende voraussehend, Pfeil und Bogen resigniert an den Baum gehängt hat. Braunschweig, selbst reich an qualitätvoller Renaissancekunst, hinterfüttert das Glanzstück mit einer klugen Kabinettausstellung, die das Thema Verführung in allen Varianten durchspielt: von Potiphars Weib über Venus bis zu Kleopatra. Erotische Malerei zu genießen, ist heute nicht mehr nur Vorrecht der Könige.

Christina Tilmann

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