zum Hauptinhalt

Kultur: Wolfgang Joop präsentiert: Der Designer als Bildhauer, der Bildhauer als Designer. Skulpturen und Möbel von Alexandre Noll im Schloß Charlottenburg

Die Inszenierung ist nicht schlecht gewählt. Im dämmerigen, blauen Licht thront ein massiver Holzstuhl auf einem Mooshügel vor einem riesigen, blaustichigen Waldfoto.

Die Inszenierung ist nicht schlecht gewählt. Im dämmerigen, blauen Licht thront ein massiver Holzstuhl auf einem Mooshügel vor einem riesigen, blaustichigen Waldfoto. Ein Stuhl mit Armlehnen aus einem Stück gehauen und geschnitzt, ein Unikat aus einem mächtigen Stamm. Und dennoch ist dieser Stuhl vielleicht nicht das typischste Möbel, das Alexandre Noll entworfen hat. Charakteristischer sind seine Truhen, Schränke und Kommoden, die selten gerade Flächen vorweisen, sondern leicht gewölbt organisch wirken. Griffe und Griffmulden sind aus der Tür in einem Stück geschnitzt. Besonderes Kennzeichen ist die Verbindung der einzelnen Platten. Die Fingerzinken sind nicht glatt geschliffen, sondern beulen sich rund aus. Und ab und zu steckt ein grober, aber glatter Keil in einer Verbindung. Diese Möbel erinnern an Bauernmöbel aus Zeichentrickfilmen der fünfziger Jahre. Oder an die Schlümpfe. Das klingt respektlos, beschreibt aber die außergewöhnliche Form und Anmutung dieser Möbel.

Alexandre Noll hat seine Möbel als Bildhauer geschaffen. Der Übergang von seinen Skulpturen zu seinen Schränken ist fließend. Er ist ein Tipp für Insider, ein Individualist, der gegen den Strom der Zeit anschwamm. Als Le Corbusier und andere sich überlegten, wie sie mit Stahlrohr eine rationale Massenproduktion, die höchsten Anforderungen entspricht, gestalten könnten, hat Alexandre Noll als Künstler aus edlen Hölzern Unikate geschaffen.

Wolfgang Joop, der seit zehn Jahren Alexandre Noll sammelt, präsentiert nun diesen vergessenen Individualisten aus Frankreich in einer Ausstellung in der Orangerie des Schlosses Charlottenburg, wo Skulpturen und Möbel aus der Zeit von 1938 bis 1970 in einer futuristisch-organischen Ausstellungsarchitektur von Simon Costin gezeigt werden. Noll wurde 1890 in Reims geboren, absolvierte eine Lehre als Bankkaufmann, übte sich während des Ersten Weltkrieges im Aquarellieren, gab aber nach dem Krieg dem Holzschnitt den Vorzug. Das Holz muss es ihm angetan haben. Denn als nächstes schnitzte er Handstücke für Regenschirme und drechselte Lampenfüße für Kaufhäuser, ja sogar Holzpantinen für den Schuhhersteller Perugia hat er gefertigt und bemalt, ein paar Rohlinge sind in der Ausstellung zu sehen. Anschließend begann er, das Holz auszuhöhlen, es entstanden Schalen, Krüge rustikaler Art. 1938 fertigte er dann die ersten Skulpturen, 1940 die ersten Möbel.

Diese Möbel wirken archaisch, geradezu anachronistisch. Aber die massiven Stühle und Truhen sind nicht einfach Bauernfolklore, es sind Skulpturen aus Holz, die eine tiefe Sehnsucht nach Ursprünglichkeit ausdrücken, die in der modernen Welt verloren zu gehen droht. Auch wenn sich die Stühle gleichen, die Sitzflächen sind ergonomisch ausgehöhlt und jedes Bein ist individuell gefertigt und leicht geschwungen.

Den Übergang von der Skulptur zum Möbel oder vom Möbel zur Skulptur markiert der "Magnumschrank" von 1965, der aus Ebenholz gefertig ist. Er steht auf zwei Beinen, die aus dem Stamm geschnitten sind. Der Schrank endet oben erkennbar als Baumstamm, die Tür bewegt sich in schweren Gelenken. Hier offenbart sich der Möbeldesigner als Bildhauer und der Bildhauer als Möbeldesigner - ein Grenzgänger zwischen Design und Kunst.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false