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Der 1952 in Bochum geborene Schriftsteller Wolfgang Welt.

© Peter Wasielewski

Wolgang Welts Roman "Fischsuppe": Aufstehen lernen

Knattern, stottern, schlenkern: Der Bochumer Autor Wolfgang Welt schreibt mit „Fischsuppe“ den Roman seines Lebens weiter.

Es muss irgendwann in den frühen nuller Jahren gewesen sein, als Peter Handke bei einer Preisverleihung vorschlug, Wolfgang Welt müsse mit seinen Büchern zum Suhrkamp Verlag. Kontakte allerdings hatte es lange vorher schon gegeben. Der Suhrkamp-Lektor Hans-Ulrich Müller-Schwefe hatte den damaligen Musik- und Stadtmagazinschreiber bei einem Telefonat gefragt, ob er nicht auch für Suhrkamp schreiben wolle: „Ich war geschockt“, heißt es in Welts 86er-Debütroman „Peggy Sue“. „Einer von Suhrkamp wollte, dass ich für die schrieb?! So was kam bestimmt nicht häufig vor. Ich wollte nicht wissen, wie viele Manuskripte dieser Mann unaufgefordert geschickt kriegt, und da sagte der doch tatsächlich: ,Wollen Sie nicht auch für uns schreiben?’“.

Aber es war dann erst 2006 soweit. Da erschienen bei Suhrkamp im Taschenbuch drei Romane und ein paar andere Texte des 1952 in Bochum geborenen Ruhrpott- und Popschriftstellers, ohne dass allerdings die Literaturwelt viel mehr Notiz als vorher von ihm nehmen sollte. Wolfgang Welt hat Fans, einige prominente darunter, wie eben Peter Handke oder Rainald Goetz, und seine Lesergemeinde ist klein, aber eingeschworen. Und sie wurde auch dann nicht viel größer, als sich nach dem Popliteratur-Boom Anfang der nuller Jahre ausgerechnet der Heyne Verlag seiner annahm, im guten, korrekten Glauben, mit Welt vielleicht so viel Geld verdienen zu können wie andere Verlage mit Benjamin von Stuckrad-Barre oder Sven Regener.

Wolfgang Welt arbeitet als Nachtportier des Bochumer Schauspielhauses

Aber Wolfgang Welt passte nicht so recht in die neue Glitter-und Selbstvermarkter-Welt des Literaturbetriebs – zumal er an einer schweren psychischen Erkrankung leidet und ihm ein fortgesetztes Schreiben nach den Veröffentlichungsrhythmen des Buchgeschäfts gar nicht möglich ist. Umso schöner, dass es nach seinem 2009er-Roman „Doris hilft“ wieder ein neues Buch von ihm gibt: „Fischsuppe“. Wie „Doris hilft“, dessen erster Satz „Kaum aus der Psychiatrie entlassen, holte ich mir auf meiner Mansarde einen runter.“ lautet, beginnt auch „Fischsuppe“ mit dem Ende eines Klinikaufenthalts: „Am Tag nach meiner Entlassung aus der Psychiatrie saß ich in Dr. Hummels Praxis, der mich noch eine Woche krankschreiben wollte, was ich aber ablehnte, weil ich nach drei Monaten Krankenhaus lieber wieder sofort arbeiten gehen wollte, nach dem Wochenende. Wir hatten Freitag.“

Und sofort hat man ihn wieder im Ohr und vor Augen, diesen etwas knattrigen, aber nie stotternden, etwas rauen, dahingeschlenkerten, aber eingängigen Welt-Sound, sofort ist man wieder drin im Ruhrpott-Leben des abgebrochenen Studenten, passionierten Lesers, Rock- und Popfans und Schriftstellers. Welt erzählt in „Fischsuppe“, wie es ihm so ergeht. Wen er trifft, mit welcher Frau er schlafen möchte und mit welcher er dann schläft, in welche Läden es ihn treibt, welche Reisen er macht, insbesondere nach London, und was er so bei seiner Arbeit als Nachtportier des Bochumer Schauspielhauses erlebt. Das ist nicht so wahnsinnig spektakulär, manchmal etwas sprunghaft, gerade für Leser, die Welt noch nicht kennen, oft aber auch enorm ergreifend. Zum Beispiel, wenn Welt in aller Kürze das Leben und den Tod seines Vaters beschreibt, die Krankheit der Mutter und natürlich die eigene, die ihn, wie so häufig, wieder in die Psychiatrie führt: „Abends lief Michael Jackson durchs Münchener Olympiastadion und schoss auf mich. (...) Morgens kam die Putzfrau. Ich war verrückt geworden durch Michael Jackson.“

Man kann „Fischsuppe“ mit seinen gerade einmal 82 Seiten als Zwischenwerk lesen. In der Knappheit und Sprunghaftigkeit erzielt Welt aber auch eine große Verdichtung, nicht zuletzt der Zeit. Tatsächlich behandelt er fast anderthalb Jahrzehnte, von der Lektüre von Bret Easton Ellis’ Roman „American Psycho“, der 1991 erschien, über die Ära von Leander Haußmann am Schauspielhaus geht es bis hin zu der Fertigstellung des Romans „Der Tunnel am Ende des Lichts“ und eben jenen Planungen für eine Ausgabe von Welts Büchern bei Suhrkamp.

Ja, und nicht selten erinnert die Lektüre, gerade wegen ihrer Offenheit, des „Schreibens, wie es ist“, an andere große Lebensaufschreiber wie etwa Peter Kurzeck, nur dass der stilistisch viel eigener, in seiner Eigenheit formvollendeter war. Oder an Hermann Lenz, den Wolfgang Welt ebenfalls verehrt und mit dem er bekannt war. (Und der bei ihm in einem Roman auch als Eugen Rapp auftaucht, so wie Handke – wie bei Lenz – als Stephan Koval). Oder an den Norweger Karl Ove Knausgård, nur dass der einen längeren epischen Atem hat. Dass Welts Bücher aus mehr als Pop und dem Ruhrpott bestehen, das zeigt „Fischsuppe“ allemal.

Wolfgang Welt: Fischsuppe. Engstler Verlag, Ostheim/Rhön 2014. 82 S., 12 €.

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