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Woody Allen: Madoff in der Zange

Kai Mueller besichtigt ein Hummer-Ballett von Woody Allen.

Es ist ein paar Wochen her, schreibt Woody Allen in einem Beitrag für den „New Yorker“, da sei Abe Moscowitz an einem Herzinfarkt gestorben und als Hummer wiedergeboren worden. „Eingefangen vor der Küste von Maine, wurde er nach Manhattan verschifft und in einem noblen Spezialitätenrestaurant in der Upper West Side in einen Wassertank gekippt.“ Dort fragt er sich, was er, ein unbescholtener Bürger und Zahnarzt, bloß verbrochen hat, um neben einer gebackenen Kartoffel mit Remouladensauce wildfremden Leuten serviert zu werden. Darauf weiß auch Moe Silverman keine Antwort. Er schwimmt ebenfalls als Zweipfünder in dem Becken und ist ein alter Rommé-Freund von Moscowitz. Der Zufall hat sie wieder zusammengeführt. Silverman: „Die Wege des Herrn sind unergründlich.“

Woody Allens kleine Geschichte über die beiden Hummer an der Third Avenue ist im Internet nachzulesen, auf der Klickliste des „New Yorker“ rangiert er derzeit ganz oben. Und man ahnt, dass das große Interesse an Allens Text daher rührt, dass sich dieser Tage in New York sehr viele Menschen zur Duldsamkeit verdammt sehen und eben wie Hummer fühlen. Im Zuge der Finanzkrise fühlen sich viele nur noch dazu bestimmt, von irgendeinem Reichen verputzt zu werden, der ihnen die Arme bricht, den Panzer aufknackt und die Eingeweide auslutscht – ohne dass am Ende mehr von ihnen übrig bleibt als das Fett, das auf die Serviette tropft.

Doch Woody Allen hat ein Einsehen. Während sich Moscowitz und Silverman noch angeregt über Religion, CateringKultur und die Launen des Universums unterhalten, nimmt am Nachbartisch Bernie Madoff Platz. Dem Investment-Betrüger hatten vor allem jüdische Stiftungen und Anleger ihr Geld anvertraut. „Er ist der Grund, warum ich hier bin“, japst Moscowitz und sinnt auf Rache. Es folgt eine wilde Actionszene: Das Bassin geht zu Bruch, Meeresgetier ergießt sich in den Raum, die Hummer stürzen sich auf den grauhaarigen Mann. Der eine springt ihm in den Nacken, der andere beißt sich an der Nase fest. Das hat etwas von dem apokalyptischen Fanal in Frank Schätzings „Schwarm“-Bestseller, in dem sich Meeresbewohner ebenfalls gegen das Regime der Menschen erheben – mit dem Unterschied, dass Woody Allen die Welt nicht untergehen sieht. Er eröffnet lediglich zwei „rebellischen Hauptgängen“ die Chance, davonzukommen und noch mal von vorne anzufangen. Und zwar in den kalten Gewässern von Sheepshead Bay.

Das Happy End des Ostermärchens: Moscowitz begegnet in der Bucht einer heimlichen Angebeteten von früher. Sie ist jetzt ein Butt. Dem Vernehmen nach sind sie glücklich.

Kai Mueller

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