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Kultur: World Wild Web

Dem Kunsthandel im Internet werden enorme Zuwächse prognostiziert – bisher steigt vor allem die Zahl von Fälschungen

Man stelle sich vor, das honorige Auktionspublikum steigert nicht mehr mit hochschnellender Bieternummer oder diskretem Kopfnicken zum Auktionator, sondern dank Live-Technologie wird einfach in die Tastatur getippt, was das Online-Konto hergibt. Auf der Digitalanzeige klettern die Preise für Picasso & Co bis „...zum Dritten“ ein virtueller Hammer aufleuchtet. Vielleicht haucht dann noch eine freundliche Computerstimme dem Käufer zum erfolgreichen Abschluss einen „herzlichen Glückwunsch“ zu. Zukunftsvisionen, die von der virtuellen Realität bislang ebenso relativiert wurden. Ebenso wie die Befürchtungen, dass die Ladengalerie ausgedient hat und gegen die Homepage ausgetauscht wird, wo den Kunstwerken im schnöden „Warenkorb“ der letzte Funke Aura ausgetrieben wird.

„Die Kunstverkäufe via Internet konnten sich bis dato nicht zu einer nennenswerten Alternative zum traditionellen Kunstgeschäft entwickeln“, lautet dann auch das Fazit einer Studie der Kunstmesse Tefaf in Maastricht über den europäischen Kunstmarkt im Jahr 2002. Laut Umfrage des Deutschen Kunsthandelsverbands betrug der Umsatzanteil des Internets 2003 marginale vier Prozent. Doch für die kommenden fünf Jahre prognostiziert man diesem Vertriebskanal einen 17-prozentigen Zuwachs. Auch sehen die Tefaf-Experten in der mangelnden Investitionsbereitschaft in digitale Technologien hiesiger Händler einen Grund für die ungleiche Umsatzverteilung des Kunstmarktes in Europa gegenüber Amerika.

„Galerien, die in ihrer Internetadministration schwach organisiert sind, verlieren auf Dauer Marktanteile an die netzaktiven Kollegen. Besonders wenn neue Kunden auf der Suche nach Bezugsquellen auf das Internet zugreifen und dann eben die ,alten Galerien’ nicht mehr finden“, sagt Georg Nägle, Mitbegründer von Kunstmarkt.com, das sich seit 1999 mit einem Magazin und Marktanalysen sowie der Kunstvermittlung über ausgewählte Galerien als Schnittstelle zwischen Sammlern und Händlern etabliert hat. Vorbild ist das Unternehmen artnet.com, mit Sitz in New York und Börsennotierung in Frankfurt, das seit 1989 Kunstliebhaber weltweit mit über 1000 renommierten Galerien verlinkt.

Auch der Berliner Galerist Max Hetzler schätzt die Vorzüge des World Wide Web: „Die Sammler sind informierter und flexibler als vor 20 Jahren. Viele nutzen die unglaublichen Chancen, über das Internet an schnelle Informationen zu kommen.“ Zwei bis dreitausend Nutzer, die die Galeriehomepage www.maxhetzler.com pro Monat anklicken, scheinen ihn zu bestätigen. Nachwachsende Sammlergenerationen bewegen sich auf Online-Märkten so selbstverständlich wie in Galerien und Auktionshäusern, was durchaus Trittbrettfahrer auf den Plan ruft. So fand ein Bild von Shootingstar Norbert Bisky bei Ebay innerhalb von drei Tagen zwölf Bieter, die das Limit von 2500 auf 5000 Euro verdoppelten. Als Provenienz hatte der Einlieferer die Galerie Michael Schultz angegeben. „Überprüft hat Ebay diese Angabe allerdings nicht“, zweifelt Michael Schultz die Gepflogenheiten derartiger Allrounder an. Und das war nicht einmal ein Preisrekord, berichtet der Berliner Galerist: „Vor drei Jahren erzielte Biskys Gemälde ,Hohe Gäste’ bei Ebay in Kanada sogar 47000 Dollar. Ein völlig überhitzter Preis, und ein Risiko obendrein, denn bei solchen Internetdeals fehlen die Beratung und die Sicherheiten, die seriöse Galerien bieten.“

Der größte Online-Konzern der Welt verweist prophylaktisch auf die Verantwortung der Anbieter. Aber dass unter 200000 Artikeln allein in der Sparte „Kunst & Antiquitäten“ bei Ebay Deutschland auch Plagiate feilgeboten werden, ist mehr als nur wahrscheinlich. Ernst Schöller, Experte für Kunstfälschungen beim Landeskriminalamt Stuttgart, sieht dann auch im Internet „eine neue Plattform für eine alte Klientel. Was jedoch rapide abnimmt, ist die Qualität der Fälschungen.“ So wurde im Frühjahr die Kopie einer Zeichnung Adolph Menzels veräußert, die schlicht spiegelverkehrt war. Zur Anzeige gegen den österreichischen „Profi-Seller“ kam es jedoch nicht durch den geprellten Käufer; erst ein Berliner Student, der das Original aus dem Kupferstichkabinett kannte, brachte die Kriminalpolizei auf den Plan.

Dabei werben gerade Kunstportale wie Artnet oder Artprize im Netz mit individueller Beratung und Markttransparenz durch umfangreiche Datenbanken. Allein die Vorzeichen verändern sich. Mit der Investmentabteilung zielt Artprice mitten ins Herz der Power-Point-Generation. Bewertet wird anhand von Preisindices und Rentabilitätsstudien, die das „Künstlerbarometer“ mit bunten Grafiken wie eine Fieberkurve darstellen. Angetreten ist die globale Datenbank mit dem Motto, dass Kunst für jedermann erschwinglich sei. Pinkanterweise agiert im Hintergrund ausgerechnet Bernard Arnault. Erst Anfang 2003 hatte sich der französische Großunternehmer vom Auktionshaus Phillips getrennt, von dessen Erwerb er lukrative Synergieeffekte zwischen dem Luxusgut Kunst und seiner Luxusgütergruppe LVHM (Louis Vuitton Moët Hennessy) erhofft hatte.

Bisher mehren sich aber die Zeichen, dass die Zukunft des Kunsthandels im Internet eher im günstigen Marktsegment liegt. Bei Sotheby’s zeigte sich die vermögende Klientel von Online-Bietgefechten in Realzeit wenig beeindruckt, und nach einem knappen Jahr, mit Verlusten von über zwei Millionen Dollar gab man das E-Commerce-Jointventure mit Ebay wieder auf. „Internet-Steigerer sind Spieler“, erzählt ein Berliner Sammler und Online-Enthusiast: „Zocker mit einem hohen, spezialisierten Wissen.“ Diese Kennerschaft führt zu manchem verborgenen Schatz: „Neulich gab es ein Tafelbild aus einer rheinischen Klosterkirche, späte Kölner Malerschule,“ erzählt der Kunstliebhaber. Um solche Angebote zu prüfen muss man Bildvergleiche anstellen und recherchieren. Nicht zuletzt auch wegen der im Verhältnis zu den Auktionshäusern niedrigen Aufgelder erkann dann eine Konkurrenz erwachsen, auf die sich Galerien und Auktionshäuser zukünftig einstellen müssen.

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