zum Hauptinhalt
301483_3_xio-fcmsimage-20090925213449-006008-4abd1b591354c.heprodimagesfotos86420090926dc-99557.jpg

© Heinrich / tsp

Wowereit im Hamburger Bahnhof: Wie aus Sandburgen eine Kunsthalle wird

Der Hamburger Bahnhof war als Ort gut gewählt zur Beantwortung der Frage: „Braucht Berlin eine Kunsthalle?“ Sozusagen neutraler Boden.

Das Art Forum hatte für eine Podiumsdiskussion ins Museum der Gegenwart geladen, das eigentlich gerade keine Kunsthalle ist. So musste sich Direktor Udo Kittelmann als Erstes die Spitze gefallen lassen, dass sein Haus als Hort privater Sammlungen selbst einer Kunsthalle gleiche, die letztlich nur zeigt, was sie von anderen zur Verfügung gestellt bekommt. Nach dieser kleinen Bösartigkeit herrschte jedoch geradezu eitel Sonnenschein auf dem Podium.

Wer erwartet hatte, dass dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit als Befürworter der Kunsthalle ein „Nein!“ auf die Eröffnungsfrage entgegenschallen würde, sah sich überrascht. Sämtliche Teilnehmer sprangen dem Kultursenator bei, ja verteidigten bis auf eine Ausnahme sogar den bislang umstrittenen Standort Humboldthafen. So schnell wendet sich das Stimmungsbild in der Stadt: erst Ja, dann Nein, jetzt wieder doch. Zum Glück gebe es eine Vorlaufzeit, resümierte Moderatorin Claudia Henne vom RBB. Aus der Diskussion dürfte Wowereit manche Anregung für die Planung mitgenommen haben.

Da wäre zunächst die Architektur. So warnte Niklas Maak davor, sich wie bei der Temporären Kunsthalle von einem älteren Herrn eine schnöde Kiste hinstellen zu lassen oder von einem Gehry-Bau à la Bilbao zu träumen, wie es Barbara Kisseler tue. Die Leiterin der Senatskanzlei habe vor allem einen eye-catcher als Köder im Sinn. Der FAZ-Journalist sang das Hohelied der jungen Berliner Architektur, die nach den Jahren gebauter Langeweile endlich eine Chance bekommen müsse. Zugleich mahnte er, dass die Halle nicht pompös, sondern porös zu sein habe, um den neuen Formen der Präsentation zu genügen. „Künstler stellen heute ihren Arbeiten nicht mehr einfach im White Cube ab“, verwies er auf den zunehmend offenen Produktionsprozess. Projektionsflächen für Film, Räume für Workshops gehörten ebenso dazu.

Auch Thomas Eller, einst Geschäftsführer der Temporären Kunsthalle, empfahl einen Neubau. Die für Berlin typische Sentimentalität für alte Bausubstanz, an der sich angeblich die Kreativität immer entzünde, lehnte er ab: „Wir müssen endlich erwachsen werden.“ Die Meinung teilten auch die beiden Künstler auf dem Podium. Monica Bonvicini wünschte sich ein „total neues, experimentelles Gebäude“. Olafur Eliasson votierte für ein Haus, das den Ansprüchen der Kunst in zehn Jahren genügen würde. „Zuerst müssen die Künstler nach ihren Bedürfnissen befragt werden“, erklärte er. „Dann sollte man die Verantwortung radikal einer Person übergeben.“

Was die Kunsthalle leisten soll, weiß Wowereit selbst am besten. Nachdem die Kunsthalle an der Budapester Straße in den neunziger Jahren geschlossen worden war und die Kunstämter als Ausstellungshäuser ausgedient haben, brauchen nach einem Gutachten der Senatskulturverwaltung die Berliner Künstler einen Präsentationsort, der noch vor Martin-Gropius-Bau und Neuer Nationalgalerie rangiert. Berlin strahlt vornehmlich als Stätte der Kunstproduktion. Wer diesen kulturellen Glanz behalten will, der heute als wichtiger Standortfaktor gilt, muss entsprechende Räume zur Verfügung stellen. 30 Millionen Euro sind dafür im Haushalt ab 2012 vorgesehen; für den laufenden Unterhalt wurden vier Millionen berechnet. „Dieses Geld lässt sich nicht gegen Kitas aufrechnen“, warnte Wowereit davor, die verschiedenen Interessen gegeneinander auszuspielen. Als Investition firmiere der Posten unter einem anderen Haushaltstitel. Gleichwohl gestand er achselzuckend ein, dass der bereits zugesagte Erweiterungsbau für das Bauhaus-Archiv dran glauben müsste. Das sei eine Frage der Prioritäten.

In Dissenz geriet der große Kunsthallen-Verfechter („Vielleicht war es auch dusselig, das Projekt noch in dieser Legislaturperiode auf den Weg bringen zu wollen.“) allein mit Florian Schmidt, dessen Initiative den Blumengroßmarkt gegenüber dem Jüdischen Museum favorisiert. Laut einer Forsa-Umfrage würden 80 Prozent der Berliner den Humboldthafen ablehnen, wollte der Soziologe glauben machen. Das entsprach kaum dem Schnitt auf dem Podium. Selbst Klaus Biesenbach, heute Kurator am MoMA in New York, findet den Standort prima – als Zwischenstopp der Künstler auf dem Weg von den Kunst-Werken, die er einst mitbegründet hat, in den Hamburger Bahnhof. Wo heute auf der Brache gigantische Sandburgen entstehen, wäre Kunst weit besser aufgehoben. Bislang kann sich dort noch jeder seine eigene Kunsthalle backen.

Auf einen Standort wolle er sich jetzt nicht versteifen, erklärte Wowereit. Noch gebe es zu viele Gegner einer Kunsthalle in der Stadt, die genau den Zwist zwischen Humboldthafen und Blumenkunsthalle für sich nutzten. „Wir brauchen eine Lobby“, warb der Kultursenator für seine Idee. Auf dem Podium hatte er sie längst gewonnen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false