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Steffen Hack ist Betreiber des Watergate–Clubs an der Berliner Oberbaumbrücke.

© picture-alliance / Brückner

Wünsche zur Wahl: Was Berlins Subkultur braucht

"Lasst wilde Lagerfeuer brennen", fordert Steffen Hack, Betreiber des Watergate–Clubs. Areale und billige Mieten statt staatlicher Gelder stehen auf seiner Wunschliste. Vor der Wahl haben wir Künstler und Kunstfreunde gebeten, ihre Wünsche zu äußern.

Wahrscheinlich bin ich einer der wenigen Kulturschaffenden, die gegen Kulturförderung sind. Natürlich gibt es Ausnahmen, einflussreiche Theater oder Opern. Clubs, Konzerte und Partys brauchen jedoch keine öffentlichen Gelder. Berlins Subkultur braucht auch keine vom Wirtschaftssenator durchgeführte Musikwoche, die nur der Selbstbeweihräucherung dient. Er sollte lieber dafür sorgen, dass erhalten bleibt, was besteht und wächst.

Wie kann die Politik die Subkultur stärken? Indem sie ein günstiges Umfeld schafft, bezahlbare Areale für Ateliers, Studios, Konzert- und Clubräume in der Innenstadt. Das EWerk, den Tresor, den Bunker oder das WMF, die Anfang der 90er Jahre gegründet wurden, hätte es ohne niedrige Mieten kaum gegeben. Ihre Betreiber hatten kaum Geld, aber jede Menge Ideen und Visionen. Sie machten Berlin zu der Stadt, die heute so attraktiv ist für junge Menschen aus der ganzen Welt. Die Hälfte der Berlin-Touristen ist unter 30, sie besucht Clubs, Konzerte und Galerien, die nicht staatlich gefördert werden. Von ihren Erlebnissen schwärmen sie dann in New York, London oder Tokio, das erzählen uns die ausländischen DJs, die bei uns auflegen. Wenn die Politik die Kapitalisierung des Quadratmeters jedoch weiter fördert, ist mit der vielfältigen Szene bald Schluss.

Entlang der Spree sind viele Strandbars und Clubs bedroht: Das Kiki Blofeld feierte gerade seinen Abschied, bei der Maria am Ostbahnhof und dem Yaam ist ein Ende absehbar. Die Areale sind an Investoren verkauft, während die Betreiber ihre Zelte abbrechen müssen. Dabei haben sie so manche Ecken der Stadt erst belebt. Beim Yaam, das sich ohne Planungssicherheit von einem Jahr zum nächsten hangelt, schlug die Initiative „Mediaspree versenken!“ deshalb einen Grundstückstausch vor: Die Stadt soll dem Investor ein alternatives Areal zur Verfügung stellen. Eine berechtigte Forderung. Dass entlang der Spree nicht nur wilde Lagerfeuer brennen können und dass Investoren Interesse an diesen Arealen haben, ist klar. Wenn die Politik jedoch weiter nach deren Pfeife tanzt, wird es bald kein einziges Lagerfeuer mehr geben – dafür aber jede Menge quadratische Büro- und Hotelburgen.

Clubbetreiber und Konzertveranstalter haben sich selbst erschaffen, ohne Staatsgelder. Statt dies zu würdigen, ist das Finanzamt gerade dabei, den Clubs die verminderte Mehrwertsteuer abzuerkennen: Künftig sollen wir vom Eintritt nicht mehr sieben Prozent abführen, sondern 19. Diejenigen, die ohne Subventionen auskommen, sollen nun herangezogen werden, um Großmannssüchte wie das Stadtschloss zu bezahlen.

Vor zehn Jahren gründete sich die Club Commission, eine Art Dachverband der Clubbetreiber und Partyveranstalter. Die Idee an sich ist gut, doch viele der großen Läden bringen sich nicht ein, auch das Watergate nicht. Wir sehen bei der Politik von heute keine Möglichkeit, uns mit dem Senat an einen Tisch zu setzen. Es gibt zu wenige Übereinstimmungen, zudem hat eine Stadt mit 62 Milliarden Euro Schulden kaum Gestaltungsspielraum. Gelegentlich werden uns von der Politik gönnerhaft kleine Brocken hingeworfen, indem uns Orte zur Verfügung gestellt werden. Zum Beispiel auf dem Flughafen Tempelhof, wo wir am 5. November zum zweiten Mal das „Fly Bermuda“-Festival veranstalten. Sicher ist der Standort aber nicht. Eine Wohnbebauung ist im Gespräch; aufgrund der Lärmemission, die Konzerte und Partys verursachen, würde deren Realisierung das Ende von Tempelhof als Veranstaltungsort bedeuten.

Mit der Entwicklungsfirma Tempelhof Projekt sind wir uns einig, dass es bei einer langfristig konzertanten Nutzung des Flughafenareals baulicher Veränderungen bedarf. Nur so ist nachhaltige Nutzung möglich, andernfalls gäbe es wieder mal eine Zwischennutzung. Ein großes Missverständnis: die Annahme, dass die Betreiber immer kreativer werden, je öfter sie umziehen. Der Regierende könnte das ja mal selbst ausprobieren.

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