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Kultur: Würde des Widerstands

Die Auszeichnung geht an einen kämpferischen Autor.Geboren in Polen, Mitglied zionistischer Organisationen und Aktivist im antifaschistischen Untergrund, Häftling in sieben Konzentrationslagern, Überlebender zweier Todesmärsche, dem schließlich die Flucht zu den amerikanischen Truppen gelang.

Die Auszeichnung geht an einen kämpferischen Autor.Geboren in Polen, Mitglied zionistischer Organisationen und Aktivist im antifaschistischen Untergrund, Häftling in sieben Konzentrationslagern, Überlebender zweier Todesmärsche, dem schließlich die Flucht zu den amerikanischen Truppen gelang.Arno Lustiger, Frankfurter Unternehmer, Funktionär der jüdischen Gemeinde, Historiker und Publizist, erhielt gestern im Alten Rathaus zu Potsdam die Moses Mendelssohn Medaille.

Der fünfundsiebzigjährige Lustiger wurde in Anwesenheit des Brandenburgischen Kulturministers Steffen Reiche und des Direktors des Moses Mendellsohn Zentrums, Julius H.Schoeps, für seine Verdienste um die deutsch-jüdischen Beziehungen und für seinen Beitrag zum Verständnis jüdischer Geschichte geehrt.Der russisch-jüdische Literaturwissenschaftler Efim Etkind hielt die Laudatio.Im Vorwort zu Arno Lustigers jüngstem Buch über "Stalin und die Juden" schreibt Etkind, Lustiger berichte "expressiv und genau, eingehend und episch", wie sich "das Schicksal der Juden Sowjetrußlands" vollzog.Als entschlossene Kämpfer gegen Hitler-Deutschland und leidenschaftliche Anhänger des kommunistischen Emanzipationsideals zogen sie Stalins Repression auf sich.Der 1918 geborene Etkind war selbst zunächst Leutnant der Roten Armee, schließlich Opfer des Stalinismus.Er verweist auf die immense Quellenkompetenz Lustigers, der sieben Sprachen beherrscht und neben russischen, polnischen und deutschen auch jiddische und hebräische Dokumente sichtete.

Arno Lustiger hat ein Lebensthema: Er verteidigt die Würde und den Mut der verfolgten Juden.Damit opponieren seine Bücher gegen viele Autoritäten der Holocaustforschung.In "Shalom Libertad" stellte er die jüdischen Brigadisten des Spanischen Bürgerkrieges dar."Zum Kampf auf Leben und Tod" ist der erste Versuch einer Gesamtwürdigung des jüdischen Widerstandes in Europa.Es sind Bücher eines engagierten Außenseiters, der die Fachhistorie herausfordert.Nicht ohne Risiko.Da Lustiger die NS-Greuel erlebt und überstanden hat, geht es auch um seine persönliche Integrität.

Autor und Werk sind derart verschmolzen, daß die Kritik der Forschung leicht zur Verletzung der Person werden kann.Es hat schwere Kränkungen gegeben.Noch 1997, auf einer Tagung des Potsdamer Einstein-Forums, entledigte sich Raul Hilberg einer Anmerkung Arno Lustigers mit der wegwerfenden Frage, wer er denn überhaupt sei.Der Streit mit Hilberg, dem Verfasser des Standardwerkes "Die Vernichtung der europäischen Juden", hat tiefe Wurzeln in der innerjüdischen Aufarbeitung der Geschichte.Raul Hilberg hatte schon 1961 mit feierlicher Bitterkeit das Fazit gezogen, er habe unter den verfolgten Juden keinen Widerstand gefunden.Er variierte damit das berühmt gewordene Diktum des Warschauer Ghetto-Kämpfers Antek Zuckermann, der seinen Leidensgenossen vorwarf, sie seien wie arglose Kälber zur Schlachtbank gegangen.

"Uns, die Überlebenden des Holocaust, treffen die Passivitätsbeschuldigungen besonders schmerzlich", hält Lustiger dagegen."Neben dem bewaffneten Widerstand, der nur in den seltensten Fällen möglich war, wurde von zahlreichen Juden ständig ziviler, passiver und geistiger Widerstand geleistet.Jeder Überlebende ist Zeuge dieses Widerstandes."

OLIVER SCHMOLKE

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