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Nabil Atassi, Sebastian Studnitzky und Florian Burger spielen bei XJazz.

© Ulla C Binder

XJazz-Festival in Berlin: Heimspiel in den Clubs

Wenig Geld, aber hohe Ansprüche: Heute beginnt in Berlin das neue XJazz-Festival. Mit dabei sind unter anderem Nils Petter Molvær, Emiliana Torrini, Nightmares on Wax und Kurt Rosenwinkel

„Klingt tierisch, ich bin dabei“, hieß es unerwartet einhellig, als der Trompeter und Pianist Sebastian Studnitzky und das siebenköpfige XJazz-Team die Idee eines neuen Jazzfestivals in Berlin verbreiteten. Dass dann binnen weniger Monate ein Programm mit über 45 Festivalkonzerten zustande kam, damit hatten die Veranstalter, allesamt Neulinge auf dem Gebiet der Festivalorganisation, nicht gerechnet. Dabei war die Idee doch so naheliegend, resümiert Studnitzky, der die künstlerische Leitung des Festivals übernahm: „Die Musik dahin bringen, wo die Szene lebt.“ Gemeint sind bislang jazzunverdächtige Clubs und Bühnen in Friedrichshain-Kreuzberg und ein recht offener Genrebegriff. XJazz findet vom 8. bis zum 11. Mai im Privatclub, Fluxbau, Monarch, BiNuu, Radialsystem V und in der Emmaus-Kirche statt.

Wenn eine Band etwas zu sagen hat, sei es egal, ob sie improvisierte Neoklassik, neuen Jazz oder Elektro spiele – für Studnitzky zählt lediglich, „dass die Musik gut ist und Spaß macht“. Der Musiker ist neben eigenen Projekten, von denen er „KY & Camerata Kammerorchester Berlin“ am Samstagabend in der Emmaus-Kirche vorstellt, auch auf aktuellen Aufnahmen von Nils Landgren, Jazzanova, Wolfgang Haffner, Nightmares On Wax, Moritz von Oswald und Mezzoforte zu hören. Und ebendieses Netzwerk konnte er für XJazz mobilisieren, die Übergänge sind fließend, viele Musiker kennen sich über Genregrenzen hinweg.

Der internationale Ruf Berlins als Zentrum des europäischen Jazz ließ den Zustrom improvisierender Musiker auch in jüngster Zeit nicht versiegen. Studnitzky erzählt von israelischen, spanischen und skandinavischen Musiker-Communities, die nach Kreuzberg und Neukölln umzogen und die Infrastruktur spürbar bereichern. XJazz nutzt diesen Standortvorteil: 35 der teilnehmenden Bands kommen aus Berlin, Flug- und Hotelkosten entfallen, die Musiker kommen mit U-Bahn oder Fahrrad zum Gig. Die bestehende Infrastruktur wird genutzt, die Clubs seien „equipped“, wie Studnitzky berichtet. Verstärker und andere Bühnentechnik müssen nicht extra angemietet werden. Alles, was die Kosten eines Festivals steigert, wurde auf ein Minimum reduziert.

Den Island-Schwerpunkt verdankt XJazz persönlichen Kontakten

Bei aller Unabhängigkeit wären Sponsoren und Subventionen für kommende XJazz-Ausgaben jedoch willkommen. Man habe die Finanzierung „mit ein paar Nullen weniger als bei anderen Festivals“ zwar hinbekommen, doch die Risikobeteiligung sei hoch, an Geldern für Werbung und Honoraren für das Organisationsteam fehle es. Große Namen wie die isländische Sängerin Emiliana Torrini wurden direkt angefragt und zeigten sich von ihrer freundlichsten Seite. Ihr Auftritt am Eröffnungsabend im BiNuu ist sogar eine Weltpremiere, zusammen mit einem hochkarätigen Berliner Ensemble wird Torrini ihre Songs unplugged neu interpretieren.

Ebenfalls im BiNuu ist für Freitagabend die Berlin-Premiere von Nils Petter Nils Petter Molvær und Moritz von Oswalds Projekt „1/1“ angekündigt, am Samstag folgt dort das 25-jährige Bühnenjubiläum von Nightmares on Wax als groß angelegte Clubnacht mit Studnitzky, Wolfgang Haffner, Mitwirkenden von Jazzanova und Camerata Berlin sowie einer isländischen Bläsersektion. Der Island-Schwerpunkt des Festivals ist persönlichen Kontakten zu verdanken, am Samstagabend eröffnet die Samúelsson Big Band im BiNuu. Doch der lokale Bezug ist das Herzensanliegen der Festivalmacher, das Berliner Indie-Label Traumton präsentiert mit dem Melt Trio und dem Trio Schmetterling am Eröffnungsabend im Fluxbau neue Talente der Berliner Szene. Um aus dem Privatclub eine „coole Jazzlocation“ zu machen, brauchte es nur einen Konzertflügel. Dort ist am Freitag Micatone mit der Sängerin Lisa Bassenge zu hören und am Samstag der Gitarrist Kurt Rosenwinkel, dessen Übervirtuosität man in Berlin vor einem Jahr bereits an der Seite von Eric Clapton bewundern konnte.

Den Radius von 1,5 Kilometern haben die XJazz-Veranstalter in zeitlichen Abständen von drei bis fünf Transferminuten zwischen den Veranstaltungsorten eher knapp bemessen. Und dass pro Abend jeweils bis zu sechs Bands parallel spielen, könnte den gezielten Besuch einzelner Konzerte etwas erschweren. Angesichts einer solchen Ereignisdichte lädt dieses Festival dazu ein, sich auf die angestrebte Offenheit einzulassen und die unabhängige Jazzszene an neuen Orten zu entdecken. Hier könnte nun der große Wurf gelingen, die international gefeierte Berliner Szene auch endlich in ihrer eigenen Stadt ins Zentrum der Aufmerksamkeit zu rücken.

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