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Kultur: Yoshihiro Suda und Takehito Koganezawa bieten Synchronkurbeln im Minutentakt

Die Galerie Wohnmaschine scheint ihre Besucher gern zu verwirren - bei der letzten Ausstellung waren die Scheiben mit einem milchigen Schleier überzogen. Dadurch war das Überraschungsmoment umso größer, denn drinnen hatte Anton Henning die Decke mit bunten Strängen bemalt, die wilde Kurven, Schleifen und andere Muster bildeten.

Die Galerie Wohnmaschine scheint ihre Besucher gern zu verwirren - bei der letzten Ausstellung waren die Scheiben mit einem milchigen Schleier überzogen. Dadurch war das Überraschungsmoment umso größer, denn drinnen hatte Anton Henning die Decke mit bunten Strängen bemalt, die wilde Kurven, Schleifen und andere Muster bildeten. Jetzt tritt man in einen auf den ersten Blick leeren Raum und ist einen Moment lang ratlos. Wo steckt denn die Kunst?

Sie hängt an der Wand. Aus der Mauer scheint eine Blume zu wachsen: Die Lilie steht in voller Blüte. Strahlend weiß die Blütenblätter, im Kelch leuchten die Pollen gelb, am Stiel zwei kleine Blätter. Auch aus der gegenüberliegenden Wand wächst eine Lilie. Wobei "wächst" nicht ganz der richtige Terminus ist - die Blume vergeht. Die Blüte hat bereits ihre Lebenskraft verloren und die Farben gewechselt. Die Blätter blass und löchrig, das Weiß der Blüte grau, vertrocknet. "Sind die echt?", wollte eine Galeriebesucherin wissen. Nein, sie sind aus Magnolienholz geschnitzt und angemalt.

Yoshihiro Suda installiert Gewächse in Räumen, die haargenau ihren natürlichen Vorbildern entsprechen. Mit den beiden Lilien thematisiert der Japaner ganz poetisch den Begriff Schönheit und ihre Vergänglichkeit. Suda spielt dabei mit der Sprache, denn es bedarf zweier japanischer Schriftzeichen, um das Wort "Lilie" darzustellen. Einzeln bedeuten diese Schriftzeichen "hundert" und "begegnen" oder "treffen". Der Titel seiner fragilen Arbeit lautet deshalb "two hundred encounters" (22 000 Mark).

Aus ganz anderem Holz sind die Arbeiten von Takehito Koganezawa geschnitzt. Der 25-jährige Tokyoter präsentiert sich ganz als Kind der Mediengesellschaft, indem er Videoarbeiten zeigt, die heutige Sehgewohnheiten gegen den Strich bürsten. Im Keller sind auf zwei Monitoren abwechselnd stets die gleichen Paare zu sehen, die nichts anderes tun, als sich in einem weißen Raum zu zwei Kabeltrommeln zu begeben und an diesen zu kurbeln. Der eine wickelt einen transparenten Schlauch ab, der andere gleichzeitig wieder auf. Immer wieder von vorn, eine Minute lang. Und weil "one minute" (3500 Mark) exakt jeweils 60 Sekunden dauern soll, lässt Koganezawa die Bilder etwas schneller als normal laufen. Das ist allerdings kaum zu bemerken. Nur der allzu schnelle, an Stummfilmmanier erinnernde Gang der Menschen ist verdächtig.

Nicht schneller, sondern langsamer, viel langsamer, geht es in seiner zweiten Videoarbeit zu ("untitled", 5000 Mark). In einem leeren Raum ist eine Videoprojektion (oder umgekehrt) zu sehen. Die Kamera zeigt auf einer Straße vorbeifahrende Fahrzeuge, dahinter Häuser. Man guckt und guckt und nichts weiter passiert - scheinbar. Denn manchmal pulsiert das grobkörnige Bild merkwürdig: Es wächst, wird zunächst unmerklich, dann aber offensichtlich größer. So groß, bis es die vier mal drei Meter große Wand ganz einnimmt. Dann schrumpft es ganz langsam wieder auf Ausgangsgröße zurück. Beide Bewegungen dauern eine Stunde lang.

Takehito Koganezawa provoziert den Betrachter im Zeitalter der TV-Zapping-Kultur mit suggestiver Langeweile. Die Bilder, obwohl voller eintöniger Ruhe, machen - weil ungewohnt - nervös und aggressiv. Nur von den apostrophierten klaustrophobischen Gefühlen ist keine Spur zu erkennen.Galerie Wohmaschine, Tucholskystraße 35, bis 5. Dezember; Dienstag bis Freitag 14-19 Uhr, Sonnabend 12-17 Uhr.

Andreas Hergeth

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