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Begnadete Bulgarin. Plamena Mangova bei ihrem Auftritt im Konzerthaus. Foto: Young Euro Classic/Kai Bienert

© MUTESOUVENIR | KAI BIENERT

Young Euro Classic: Das Fieber steigt

Melancholisch, funkelnd, subtil: Ein ganzer Tag mit Klaviermusik bei Young Euro Classic

Seit einigen Jahren mehren sich die Versuche, Berlin wieder zu der Klaviermetropole zu machen, die es vor dem Zweiten Weltkrieg war – als hier jeder Eleve, der Karriere machen wollte, auftrat, als jeder Pianist von Rang hierher kam, als auch private Konzerte in den höheren Familien zum guten Ton gehörten. 2011 belebte das Festival „Klavierfieber“ für eine Woche das Kulturforum, und im Mai hat Barnaby Weiler sein erstes Klavierfestival im Konzerthauses veranstaltet.

Young Euro Classic war der Vorreiter, seit vier Jahren präsentiert das Festival zur Halbzeit einen ganzen Tag lang nur Klaviermusik: junge Pianisten wie Avan Yu aus Kanada, der an der UdK studiert, Zsolt Bognár aus Ungarn oder der Schweizer Benjamin Engeli, zu dessen Lehrern unter anderem András Schiff gehört. Sie alle haben bei bedeutenden Klavierwettbewerben vordere Plätze belegt, ihre Götter heißen Bach, Schumann und natürlich Chopin. Was auffällt: Rachmaninow, also das ganz virtuose Repertoire, sucht man im Programm vergeblich, eine Lücke, die aber Liszt mehr als kompensiert.

Auch Yejin Gil, Südkoreanerin mit Wohnsitz in Berlin, steigt gleich mit Liszt ein – beziehungsweise mit dessen Bearbeitung von Bachs Präludium und Fuge a-Moll. Es ist, man muss es so sagen, kein guter Beginn: Im Pedal ertränkt, plätschert das Stück spannungslos dahin wie eine Maschine, deren Batterie langsam leer wird. Schwergängig und teerig klingt die Bassstimme, die in der Fuge die Orgel imitieren soll. Danach aber wird es besser. Gils Anschlag ist ausgesprochen hart, was hervorragend passt zu den 2003 komponierten sechs Klavieretüden von Chin Unsuk, auch sie aus Südkorea und heimisch in Berlin. Erstaunlich, wie Gil den Fäden der sechs äußerst vielfältigen Stücken folgt, mit welcher Leidenschaft sie die klirrenden Töne zu Gehör bringt, wie sie in der sechsten Etüde mit dem Titel „Grains“ mikrotonale Klänge, wie sie eigentlich nur in der elektronischen Musik möglich sind, mittels extrem kurzer Anschläge imitiert. Danach noch ein glänzender, majestätisch funkelnder Schumann: Die zwölf Variationen seiner Symphonischen Etüden.

Trotzdem: Das Innige, Lyrische ist Gils Sache nicht. Völlig anders ist das am Abend bei Plamena Mangova. Wie unglaublich weich, verführerisch und differenziert ist der Anschlag der Bulgarin, die 2007 entdeckt wurde, als sie beim „Reine Elisabeth“-Wettbewerb in Brüssel, einem der wichtigsten Klavierwettbewerbe überhaupt, den zweiten Preis gewann. Mangova überzeugt restlos: In den witzig ausgespielten Beethoven-Variationen über ein Duett von Salieri genauso wie in der siebten Etüde aus Opus 25 von Chopin und dessen erster Ballade g-Moll. Wehmut und Melancholie durchziehen den Großen Saal des Konzerthauses, ganz ohne Druck und frei fließen die Klänge, subtile Moll-Wendungen kommen auf Samtfüßen daher. In Liszts Vertonung von Petrarcas 104. Sonett stecken Verzweiflung und Widerspruch in unscheinbarsten, verwehenden Pianissimo- Tönen. Eine Schule des Hörens. Die Klaviermetropole Berlin, sie wird an diesem Abend tatsächlich greifbar.

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