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Der russische Dirigent Andrey Boreyko.

© dpa / picture-alliance / Ulrich Perrey

Young Euro Classic: Eine kleine Luftmusik

Appell an die Sinne: Das I, Culture Orchestra mit Musikern aus Osteuropa spielt bei Young Euro Classic Werke von Beethoven und slawischen Komponisten.

Sie kommen aus Armenien, Aserbeidschan, den Belarus-Staaten, Georgien, Moldawien und der Ukraine, 2011 taten sie sich zum I, Culture Orchestra zusammen, zwecks Brückenschlag in Ost-Europa und zu den westlichen Nachbarn. Ein Signal, das dieser Tage gar nicht laut genug sein kann , sagt die Schauspielerin Gesine Cukrowski. Eine treffende Vorbemerkung der Patin dieses Young-Euro-Classic-Abends mit Werken von Beethoven und slawischen Komponisten.

Das Signal ertönt im Konzerthaus dann erst mal sehr leise, als Appell an die Sinne. Ein zarter Wind erhebt sich im Saal, eine kleine Luftmusik, wo kommt sie nur her? Vom Synthesizer, verrät die Instrumentierung von Valentin Silvestrovs Mozart-Meditation „Der Bote“ (1997). Aber es steht kein Synthesizer auf der Bühne – schön, wenn ein Konzert mit der Suche nach der Klangquelle beginnt. Und mit einem zauberischen Werk voller Klangwolkengespinste, ausfransender Melodien und verdämmernder Echos, einem Nachgesang auch auf Silvestrovs verstorbene Frau. Mozart verweht, nach Osten, in alle Himmelsrichtungen.

Die reife Klangkultur und Farbvielfalt des I, Culture Orchestra kann das Publikum bei Beethovens Violinkonzert erleben, mit dem beseelt, aber nie sentimental spielenden litauischen Solisten Julian Rachlin. Unter Leitung eines wendig dirigierenden Andrey Boreyko strahlt das Ensemble mal eine dunkel grundierte Wärme aus und schwelgt in sattem Legato, mal kreiert es luzide Momente wie beim Wiedereinsatz des Orchesters nach der Kadenz im Kopfsatz. Wiener Klassik verweht, eine Reminiszenz an die Magie des Ukrainers Silvestrov – tatsächlich ein Brückenschlag. Der Solist verabschiedet sich mit der schillernden Ballade aus Eugène Ysaÿes 3. Solo-Sonate.

Eine Monsterwelt tut sich auf

Nach „The Smile of Maud Lewis“, einem flirrenden Minimalstück von Nikolai Korndorf mit Celesta, Blockflöte und Schellen, ist jedoch Schluss mit ätherischer Sphärenmusik. Witold Lutoslawskis „Konzert für Orchester“ (1954) setzt mit Paukenschlägen ein, harschen Tutti und dröhnendem Blech. (Wobei sich der 80-prozentige Frauenanteil auf dem Podium nun doch noch reduziert: Die Bläser des Orchestras sind überwiegend männlich.) Eine Monsterwelt tut sich auf, ein martialisches Kollektiv bricht sich mit Riesenmeilenstiefeln Bahn, gnadenlos und doch mit synkopischen Raffinessen, die das Orchester mit Leidenschaft meistert. Und Boreyko am Pult navigiert die Musiker souverän durch die Gezeiten.

Immer wieder ziehen die Kohorten sich zurück, sei es zum Pianissimo-Start der Passacaglia in den Kontrabässen, sei es beim wuchtigen Choral, der unversehens himmelwärts fährt. Kurze Ruhe mitten im Sturm, als wehte der Windhauch des Konzertbeginns auch zu Lutoslawski herüber. Jubel – und als Zugabe ein schmissiger masurischer Tanz aus der polnischen Nationaloper „Halka“.

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