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Blitzsaubere Intonation. Der Chor der katholischen Elisabeth University of Music Hiroshima.

© Kai Bienert / Mutesouvenir

Young Euro Classic: Gesänge vom Krieg

Fahle Verzweiflungstöne: Musiker aus Hiroshima mit Kompositionen von Toshio Hosokawa, Schubert und Beethoven bei Young Euro Classic.

Die Japaner haben eine besondere Beziehung zum Atom. Nicht nur wegen Hiroshima und Nagasaki. Im ganzen Land würden ohne Kernkraft die Lichter ausgehen. Eine Abhängigkeit, an der auch die Katastrophe von Fukushima wenig geändert hat. Wenn jetzt Nordkorea mit den Säbeln rasselt, sind es nicht die Amerikaner, die Angst haben. Es sind die Japaner.

2010 hat Toshio Hosokawa, bedeutendster Komponist seines Landes, mit „Sternlose Nacht“ den Atombombenabwurf von Hiroshima vertont. Und nicht nur das, sondern auch die Bombennacht von Dresden, vier Jahreszeiten-Gedichte von Georg Trakl und mythische Verse von Gershom Scholem. Zuviel des Guten? Bei der Berliner Erstaufführung im Rahmen von Young Euro Classic im Konzerthaus zeigt sich: Es funktioniert, weil Hosokawa nicht alles mit allem verrührt, sondern strikt sequenziert, eine Abfolge aus neun Klangminiaturen, die sich jeweils nur auf einen Aspekt konzentrieren.

Todernste Musik

Hauchgeräusche des Chores, dann setzen Instrumente ein. Zwei Sprecher (Nina Petri, Heikko Deutschmann) lesen Texte von Kindern aus der Dresdner Horrornacht. Sie fallen sich gegenseitig ins Wort, versinken im Orchesterklang. Das wirkt. Zwei Soprane (Yushiko Kobayashi, Miyuki Fujii) singen Trakls Gedichte, denen der kommende Krieg schon eingeschrieben ist. Auf Deutsch, der Sprache des Landes, dem Hosokawa eng verbunden ist, seit er in Berlin studiert hat.

Der jugendliche Chor der katholischen Elisabeth University of Music Hiroshima hat vor der Pause, in Beethovens „Meeresstille und glückliche Fahrt“, mit blitzsauberer Intonation und großer Klangfülle auch im Pianissimo überrascht. Das Orchester aber sollte in Schuberts „Unvollendeter“ nachjustieren. Wenn dem Hörer im ersten Satz kein Schauer über den Rücken läuft, stimmt was nicht. Das ehrgeizige Tempo, das Dirigent Jonathan Stockhammer anschlägt, fährt über alle Seelenabgründe hinweg. Fazit: Gesänge vom Krieg, fahle Verzweiflungstöne eines ertaubten Komponisten und Schuberts Teufelstanz – ein Abend, der dem Begriff „ernste Musik“ alle Ehre macht.

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