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Ingo Metzmacher dirigiert das Gustav Mahler Jugendorchester mit großer Verve.

© Kai Bienert/Mutesouvenir

Young Euro Classic: Zukunftsmusik

Das Gustav Mahler Jugendorchester bei Young Euro Classic im Konzerthaus.

2000 junge Musiker aus 25 Städten bewerben sich Jahr für Jahr um einen der zirka 100 Plätze im Gustav Mahler Jugendorchester. Wer es so weit schafft und da mitmachen darf, hat viel gewonnen: Probenphasen, an denen Mitglieder der prominent besetzten Jury teilnehmen, und Tourneen unter führenden Dirigenten der internationalen Szene. Gesamteuropäisch ist das Ganze ein Werk des großen Claudio Abbado, der es vor 31 Jahren gegründet hat mit dem zeitgemäß dringlichen Ziel, die Grenzen des Eisernen Vorhangs mit Hilfe der Zauberkraft Musik zu überwinden. Wie die RBB-Intendantin Patricia Schlesinger als Patin des Abends ausführt, steht das Orchester heute vor allem für die europäische Idee.

Zwölftontechnik fürs Kopfkino

Sein jüngstes Gastspiel im Konzerthaus, wo Young Euro Classic von Wogen euphorischen Jubels getragen wird, leitet Ingo Metzmacher. Generalmusikdirektor der Hamburgischen Staatsoper, in Berlin Chefdirigent des Deutschen Symphonie-Orchesters, Triumphe bei den Salzburger Festspielen verbinden sich mit seinem Namen. Am Pult des Gustav Mahler Jugendorchesters dirigiert er stilistisch Heterogenes aus der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts, klug ausgewählt, da die Musiker sich in ihrer professionellen Zukunft in berühmten Orchestern vielseitig bewähren müssen. Arnold Schönbergs „Begleitmusik zu einer Lichtspielszene“, die nichts begleitet, keinen Film, ist ein expressives Protokoll über „Drohende Gefahr – Angst – Katastrophe“ in Zwölftontechnik. Adelige Filmmusik sozusagen wider deren gewöhnliche Trivialität.

Was für ein Kontrast dann das Klavierkonzert in F von George Gershwin! Ein Franzose in New York, so ließe sich die Interpretation umschreiben. Denn der fulminante Pianist Jean-Yves Thibaudet, der regelmäßig in Berlin zu erleben ist, aber auch durch China reist und als Kammermusiker Meisterkurse abhält, begibt sich nun musikalisch an den Broadway mit Eleganz und Nuance. Er ist ein Rhythmiker der leichten Hand. Das trifft sich mit der Flexibilität der Tempi, wie Ingo Metzmacher sie verteidigen kann, da seine Instrumentalisten eine Elitetruppe bilden.

Musik, die Bravorufe provoziert

Eine Klarinettistin und ein Flötist ragen als gefeierte Solisten hervor. Die Erstere in Béla Bartóks Konzertsuite Opus 19 „Der wunderbare Mandarin“. Der einst populäre Ruhm des „unsittlichen“ Stückes als Tanzpantomime ist nicht zuletzt dessen Verbot durch den Kölner Oberbürgermeister Konrad Adenauer zu verdanken. Eine Handlung aus dem Zuhältermilieu in greller Großstadt, wo ein Ganoventrio ein junges Mädchen auf den Strich schickt, um deren Kunden dann auszurauben. Einem Freier, der sie unbedingt besitzen will, gibt die Frau sich hin. Die Geschichte geht auf den ungarischen Dramatiker Lengyel zurück.

Was hier nun in reicher Fülle aufklingt, sind Sekundreibungen, Walzer, Raserei, Härte. Nie ist Bartók wilder gewesen. Das ist eine Musik, die Bravorufe im Auditorium provoziert. Es überbietet unter dem kontrollierten Toben Metzmachers noch die folgende „Daphnis et Chloé“-Suite von Maurice Ravel mit dem märchenhaft schön gespielten Flötensolo. So unterstreicht dieses Konzert mit Nachdruck das hoffnungsfrohe Motto, das sich das Festival mit solchen Auftritten leisten kann: „Hier spielt die Zukunft.“

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