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Kultur: Zackig marschiert

KLASSIK

Eliahu Inbal hat es nicht gerade einfach in Berlin: Die Trumpfkarte des BSO -Chefs sind seit jeher die Sinfonien Gustav Mahlers – nur, wie kann eine Mahler-Interpretation aussehen, die neben der schier übermächtigen innerstädtischen Konkurrenz von Rattle und Nagano Bestand hat? Doch Inbal lässt sich nicht beirren und hält im Konzerthaus die Siebte konsequent auf dem Kurs seiner persönlichen Mahler-Wahrheit (noch einmal Sonntag, 16 Uhr). Die kennt keinen Weltschmerz und keinen Fortschrittsglauben, sondern nur die blanke Objektivität des Notentextes. Gegen die Interpretation setzt Inbal die kapellmeisterliche Perfektion: Der 66-Jährige kennt das Stück in- und auswendig, weiß, wie er den sinfonischen Apparat in Bewegung hält, Haupt- und Nebenstimmen so gewichtet, dass Mahlers weit ausholende Satzdramaturgie zusammenhält. Die Tempi sind flüssig, schon der Kopfsatz marschiert zackig an allen Klippen und Abgründen vorbei, die beiden „Nachtstücke“ künden nicht von den Nachtseiten der Seele, sondern von idyllischen Sommernächten auf alpinen und mediterranen Terrassen. Das irritiert zunächst, entwickelt aber bald eine eigene Sogkraft auf den bombastischen Jubel des Finalsatzes hin. Dessen potenzierte „Meistersinger“-Fanfaren sind für Inbal vor allem Ausdruck orgiastischer Vitalität. Die schnurgerade Start-Ziel-Strategie bekommt freilich nicht nur dem Stück, sondern auch dem Berliner Sinfonie-Orchester, das mit saftigem Klang Mahler nicht als verkopften Ästheten, sondern als Menschen aus Fleisch und Blut spielt. Warum eigentlich auch nicht?

Jörg Königsdorf

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